1282 - Die Gier der schönen Mumie
schmalen Oberlippenbart. Und er schaute in ein Gesicht, in dessen Augen die Angst ihre Spuren hinterlassen hatte, denn das sah er deutlich an seinem flackernden Blick. Die Haut war feucht, die Lippen zitterten leicht, und er wollte sich nicht mehr sehen, deshalb drehte er sich um. Aus der Drehung wurde ein Kreis. Als er wieder in den Spiegel schaute, hatte sich nichts an ihm verändert.
Der Schock über das plötzliche Verschwinden seiner Freundin verschwand nicht ganz. Er wurde nur so weit zurückgedrängt, bis es ihm wieder gelang, klar zu denken. Er musste sich eben auf die neue Lage einstellen.
Helga befand sich nicht mehr im Bad. Sie war überhaupt nicht mehr im Hotelzimmer. Sie musste es heimlich verlassen haben. Wenn das tatsächlich zutraf, dann musste er sich zwangsläufig nach den Gründen fragen, und da hatte er seine Probleme.
Welchen Grund sollte Helga gehabt haben, heimlich aus dem Zimmer zu gehen? Wenn sie es verlassen wollte, um irgendwo anders zu sein, dann hätte sie ihm doch Bescheid gesagt. Das hätte zumindest der Normalität entsprochen: Aber das genau war nicht geschehen, und über die Tatsache konnte er nicht hinwegkommen.
Er rief ihren Namen, in der Hoffnung, von irgendwoher eine Antwort zu bekommen. Auch da wurde er enttäuscht. Von Helga war weder etwas zu hören noch zu sehen.
Die Sorge um sie nahm zu. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er fühlte sich so schrecklich hilflos.
Er kam sich wie eingesperrt vor, und plötzlich fing er an, die Pyramide zu hassen.
Er überlegte, was passiert sein konnte.
Es war durchaus möglich, dass Helga das Zimmer verlassen hatte, obwohl er sich keinen Grund vorstellen konnte. Aber so ganz wollte er es auch nicht von der Hand weisen.
Dirk Schiller verließ das Bad. Er gab sich der Hoffnung hin, Helga wieder im Zimmer zu sehen.
Wie sie da stand und ihn auslachte. Das hätte er gern in Kauf genommen. Tatsache war, dass sie nicht dort stand und das Zimmer leer war.
Dirk Schiller merkte, was Einsamkeit bedeuten konnte. Sie lähmte ihn. Sie ließ es nicht zu, dass er richtig nachdachte. Etwas störte ihn immer. Er lebte seit mehr als fünf Jahren mit Helga zusammen, aber so etwas war ihm noch nie passiert. Auch nicht in Wiesbaden, wo beide eine gemeinsame Wohnung besaßen.
Was war zu tun?
Dirk wusste es nicht. Jedenfalls musste er etwas unternehmen, und er wollte der Reihe nach vorgehen, auch wenn er sich möglicherweise blamierte, aber das war ihm jetzt egal, denn ihm ging es einzig und allein um Helga.
Er schaute sich noch ein letztes Mal um, aber Helga tauchte nicht wieder auf. Schließlich verließ er das Zimmer, ging zum Fahrstuhl und fuhr sechs Etagen tiefer, wo sich die große Halle mit der Rezeption befand.
Vielleicht würde man ihm dort weiterhelfen können. Viel Hoffnung hatte er nicht…
***
Es war das übliche Lächeln einer Hotelangestellten, das ihn erwartete, als er auf den Tresen zuging.
Nett, freundlich, gut einstudiert, aber auch irgendwie abwartend.
»Was kann ich für Sie tun?«
Dirk Schiller schaute sich um. Die Halle war sehr groß. Man konnte von hier aus nicht nur das Hotel verlassen, sondern auch die verschiedenen Restaurants besuchen oder sich an die Bar nebenan setzen. Es kam ihm alles so groß und weitläufig vor, doch trotz der hellen Glaswände fühlte er sich eingeschlossen.
»Mein Name ist Dirk Schiller. Ich hatte Zimmer…«
»Natürlich, Herr Schiller«, sagte das blonde junge Wesen auf der anderen Seite der Theke. »Sie haben das Zimmer dreiundsechzig.«
»Stimmt.«
»Ist etwas nicht in Ordnung damit?«
»Wieso? Wie kommen Sie darauf?« fragte er hastig zurück.
»Entschuldigen Sie, aber Sie machen auf mich einen leicht gereizten Eindruck. Ich kenne das von Gästen, die sich über ihr Zimmer beschweren wollen, wenn etwas nicht funktioniert, was bei uns natürlich nur selten vorkommt.«
»Darum geht es nicht.«
»Das ist schon mal positiv. Womit kann ich Ihnen dann helfen, Herr Schiller?«
»Ich suche meine Partnerin.«
Die Blonde mit der glatten Männerfrisur nickte. »Ja, die Dame, mit der Sie zusammen eingecheckt haben.«
»So ist es.«
Ein kurzer Blick auf den Computerschirm. »Frau Helga Struckmann.«
»Richtig.«
»Was ist mit ihr?«
Auf diese Frage hatte Dirk gewartet. Er wusste nur noch nicht, wie er sie beantworten sollte, ohne zu viel von sich preiszugeben. Er wollte sich auch nicht lächerlich machen, und jetzt musste er eine Antwort geben.
»Ja… äh… es ist so. Ich vermisse
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