1283 - Der Mörder-Mönch
zurückgeben zu wollen.«
»Interessant. Sie haben ihm aber nicht geglaubt oder?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Wer lebte früher mal in dem Kloster?«
»Es waren Templer.«
»Dachte ich mir.«
»Danach stand es lange Zeit leer, aber wir haben es wieder entdeckt. Das heißt, nicht ich, sondern meine Vorgängerin. Es liegt sehr einsam. Man kann hier seinen Aufgaben in wunderbarer Art und Weise nachgehen. Wir können in Ruhe beten und forschen. Aber dann störte uns dieser Mensch, dem wir nur wenig Vertrauen entgegenbringen konnten. Das muss ich auch noch.«
***
Shao blieb sitzen und breitete ihre Arme aus. »Und an mich denkt mal wieder keiner?«
»Doch«, erklärte ich ihr. »Du bist so etwas wie unser Stützpunkt. Aber jetzt müssen wir uns beeilen, denn die Fähre fährt von Portsmouth, und bis dahin ist es noch ein Stück zu fahren. Sir James kannst du alles erklären, Shao. Ich denke, er wird dafür Verständnis haben, wenn es um van Akkeren geht…«
***
Godwin de Salier schaute der alten Frau zu, die ihre Tasse mit beiden Händen anhob und das heiße Getränk langsam schlürfte. Sie saß vor ihrem Haus auf einer alten Bank, zu der auch ein Tisch und ein alter Stuhl gehörten.
Die Frau hatte zwar einen normalen Namen, aber den kannte niemand im Ort. Man nannte sie nur die Zauberin, denn unter diesem Namen hatte sie vor langer Zeit Karriere gemacht und war mit ihrem Zirkus quer durch Europa gezogen. Sie gehörte zu den Menschen, die nicht die Assistentin spielten und sich zersägen lassen mussten, nein, sie war die Chefin gewesen, und an ihrer Stelle hatte ein Assistent gearbeitet.
Jetzt war sie alt geworden. Mehr als 70 Jahre, doch die Menschen im Ort, ob Jung oder Alt, begegneten ihr noch immer mit großem Respekt und holten sich oft ihren Rat. Hin und wieder zeigte sie den Kindern auch einige Kartentricks, denn ihre Hände waren noch immer geschmeidig.
An diesem Mittag hatte das Wetter aufgeklärt. Die Wolken waren verschwunden, die Sonne strahlte über das erste Blau hinweg, und so konnte man schon froh sein, dass es viele belaubte Bäume gab, die das grelle Licht filterten. Sie stand auch im Garten der Zauberin, die noch immer nicht viel gesagt hatte und sich nur mit dem Milchkaffee beschäftigte.
Schließlich setzte sie die Tasse ab, schaute über den Tisch hinweg in Godwins Gesicht und fragte: »Hast du mal eine Zigarette?«
»Tut mir Leid, aber ich rauche nicht.«
»Aber ich.«
»Bitte, wenn ich Ihnen Zigaretten holen soll, dann…«
»Auf keinen Fall, Söhnchen, bleib nur sitzen. Dann werde ich eben meine eigenen nehmen.« Sie kicherte.
»Es ist ein Hobby von mir, bei anderen zu schnorren. Das liebe ich, das macht mich richtig glücklich.«
Aus der linken Brusttasche ihrer Weste holte sie eine Blechschachtel hervor und klappte sie auf. Der Inhalt bestand aus selbstgedrehten Zigaretten. Es war noch genügend Platz für ein schmales Feuerzeug, das sie zwischen ihre schlanken Hände nahm, und wenig später sah es aus, als wäre die Flamme aus der Daumenkuppe gesprungen.
»Ein alter Trick.« Sie löste zwei Krumen vom Mundstück und klemmte die Zigarette zwischen ihre Lippen.
Die Zauberin war schon eine besondere Person. Mit den tomatenrot gefärbten Haaren fiel sie schon allein deswegen aus dem Rahmen. Die sehr schmale und gebogene Nase, der Damenbart auf der Oberlippe, das Rouge auf den Wangen, dazu die unergründlichen Augen und die zahlreichen dünnen Falten in der Stirnhaut - dies gab ihr schon etwas Besonderes. Wer sie anschaute, konnte den Eindruck haben, dass sie an verschiedenen Stellen ihres Gesichts damit begonnen hatte, ihr Aussehen zu verändern, wobei sie nicht richtig fertig geworden war.
Sie trug eine Hose aus Leder. Die Bluse dazu war weiß, und die Weste bestand ebenfalls aus Leder.
Um ihren Hals hing eine Kette aus bunten Kugeln, die aussah, als wäre sie von einem Kind gebastelt worden.
Sie qualmte und schaute Godwin dabei sehr genau an. Vor allen Dingen seine Augen interessierten sie, und der Templer senkte seinen Blick um keinen Millimeter. Man hatte ihm gesagt, dass die Zauberin Bescheid wusste, was früher hier abgelaufen war. Aber man hatte ihm auch gesagt, dass sie nicht mit jedem sprach. Der Besucher musste ihr schon sympathisch sein und Ehrlichkeit mitbringen.
Hin und wieder ließ sie den Rauch durch die Nase ausströmen, wobei sie den Glimmstängel nicht aus dem Mund nahm. Die Lippen zeigten sogar ein Lächeln, und bei jeder Bewegung wippte die
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