1283 - Der Mörder-Mönch
wie man sie aus früheren Jahren her kannte.
»Und?«, fragte Suko. »Wie lautet dein Kommentar?«
»Kann Schweigen nicht für sich sprechen?«
»Dann schweig mal weiter.« Der Inspektor schüttelte den Kopf. »Diesen Bau hätte ich mir wirklich anders vorgestellt. Egal, wir können ihn uns eben nicht backen.«
»Genau.«
Schon einmal hatten wir in einem versteckt liegenden Kloster einen Fall lösen müssen. Das war in Südtirol gewesen, und da war es um die Verschlusssache Satan gegangen.
Die Roten Mönche oder die Roten Templer. Hier konnten sie gelebt haben. Hier waren sie nicht so schnell zu finden, denn den Wald gab es bestimmt nicht erst seit gestern.
Niemand öffnete für uns die Tür. Niemand kam uns entgegen. Stille hielt uns umfangen.
Ich hielt Ausschau nach einer Klingel. Die gab es leider nicht. Zu klopfen brauchten wir auch nicht, denn an der Hauswand neben der alten Holztür hing eine rostige Glocke. Wir lauschten dem blechernen Klang nach, der mich irgendwie an eine Totenglocke erinnerte.
Da wir etwas ungeduldig waren, bimmelte ich ein zweites Mal. Jetzt klappte es. Zumindest wurde in der Tür ein viereckiges Guckloch geöffnet. Es war zu düster, um erkennen zu können, wer sich dahinter aufhielt.
Ich verzog meinen Mund zu einem Lächeln. »Bonjour, ich heiße John Sinclair…«
»Oui, natürlich. Sie sind schon da?«
»Ich habe mich beeilt.«
»Warten Sie.« Die Luke wurde wieder zugeschoben, und wenig später öffnete sich die Tür knarrend.
Vor uns stand eine alte, kleine grauhaarige Frau, die keine Haube trug. Nur ein schwarzes schlichtes Kleid.
»Sind Sie Schwester Anna?«, fragte ich.
»Ja, das bin ich.« Sie lachte leise. »Ich habe Sie in London angerufen.«
»Von hier aus?«
»Na klar«, antwortete sie, als wäre es das Natürlichste der Welt. »Oder soll ich in den Ort laufen?«
»Nein, nein, natürlich nicht.«
Für die Oberin war das Thema erledigt. Sie ließ uns noch nicht ins Haus, sondern streckte Suko ihren Zeigefinger entgegen. »Wer ist das denn?«
»Ein Freund und Kollege.«
»Hm. Wollten Sie nicht allein kommen?«
»Ich wollte kommen, und jetzt bin ich hier. Sie haben nicht darauf bestanden, nur mich zu sehen.«
»Ja, das kann stimmen«, flüsterte sie, schaute Suko aus ihren kleinen Augen noch einmal scharf an und gab den Weg endlich frei.
»Danke«, sagten wir wie aus einem Mund. Wir betraten ein Haus, das man auch ohne weiteres als eine Gruft einstufen konnte. Es war sehr dunkel hier, und es brannte auch kein normales Licht, obwohl Lampen vorhanden waren. Dafür hatte man einige Kerzen angezündet, die sich an strategisch günstigen Stellen der kleinen Halle hier verteilten. Sie schauten aus schwarzen Eisenhaltern an den Wänden hervor. Der leichte Luftzug ließ die Flammen flackern, so dass Schatten und Licht über Wände und Böden hinwegtanzten und ein wildes Muster bildeten.
Es gab in diesem Bereich kein einziges Möbelstück, keinen Tisch, keinen Schrank, keinen Stuhl, nur den dunklen Steinboden, der das Licht der Kerzen aufzusaugen schien wie ein Sumpf sein Opfer.
Anna stellte sich vor uns hin und rieb ihre Hände gegeneinander. »Es gefällt Ihnen hier wohl nicht besonders?«
Suko fragte: »Woher wissen Sie das?«
»Weil Sie so schauen.«
»Wir sind ein wenig überrascht.«
»Wegen der Kerzen?«
»Auch das.«
»Wir sparen Strom, Monsieur…«
»Ich heiße Suko.«
»Gut, wir sparen also Strom. Aber es gibt noch einen Grund, weshalb die Kerzen brennen.«
»Haben Sie einen Feiertag heute?«
»Nein, einen Todestag.«
Ich schluckte. »Bitte?«
»Eine Beerdigung«, erklärte uns die Oberin.
Mit dieser Antwort hatten wir nicht rechnen können und schwiegen in den folgenden Sekunden betreten.
Das Schweigen brachte uns auch nicht weiter, so übernahm ich nach einem weiteren Räuspern das Wort.
»Es tut uns natürlich Leid, das haben wir nicht gewusst.« Schwester Anna winkte ab. »Es ist nicht Ihre Schuld. Oder nicht direkt Ihre. Sie sind einfach zu früh gekommen. Ich habe Sie erst am Abend erwartet. Bis dahin wäre alles erledigt gewesen. So aber…«
»Moment mal, Schwester, heißt das, dass die Tote noch nicht beerdigt worden ist?«
»Genau.«
»Dann müssen Sie ja noch zum Friedhof. Oder werden die Toten hier im Haus bestattet? Unter einer kleinen Kapelle, zum Beispiel.«
»Den Platz besitzen wir hier leider nicht. Nein, nein, wir werden die tote Schwester Esmeralda schon draußen zur letzten Ruhe betten.« Sie hob die Schultern.
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