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1284 - Am Paß der Icana

Titel: 1284 - Am Paß der Icana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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unmittelbar vor dem tödlichen Stoß, mit dem er einen Gegner beseitigte. Bei denen, die ihm feind waren, war sein Lächeln gefürchtet.
    Ganz im Gegensatz dazu Huasqa, der sich fast wie ein Geck kleidete und das Herz auf der Zunge trug. Er trug ein Gewand aus buntgefärbtem. Leder. Die Hosen fielen weit und locker, die Beine bauschten sich über den Schäften der Stiefel, die aus der Haut der Wasserkuh gefertigt waren. Das lange Haar war mit farbenprächtigen Federn durchwirkt, der breite Gürtel mit Perlen und glitzernden Steinen besetzt. Huasqas Waffe war ein langer, dünner Stab aus Metall, dessen beide Kanten so scharf geschliffen waren, daß er dem Feind mit einem einzigen Schlag den Kopf vom Rumpf trennen konnte. Degen nannten die Panieli diese Waffe. Huasqa hatte sie ihnen abgeschaut. Er war der einzige im Reich Atahau, der einen Degen trug, und er verstand es, wie ein Panieli damit umzugehen.
    Aufmerksam hatten die beiden Krieger den Worten des Fürsten gelauscht. Eine seltsame Erregung bemächtigte sich Huasqas. Es wäre höfische Sitte gewesen, den Kopf noch tiefer zu neigen und Ebhinor zu versichern, daß der Auftrag Verstanden worden sei.
    Aber es quoll eine Unruhe in Huasqas Herz, und eine neue Kraft füllte seine Seele.
    „Du hast uns eine kleine Aufgabe gegeben, Herrscher", sagte er. „Nenne uns auch die große. Wir wissen, die Ehre zu schätzen, die du uns erteilst. Aber es liegt mehr in unserer Kraft, als nur den Paß Sacsamarca zu besetzen."
    Manku warf Huasqa einen warnenden Blick zu. Ebhinor schien überrascht und verwirrt.
    „Die große Aufgabe?" murmelte er. „Es gibt nur eine große Aufgabe: Die Panieli so vernichtend zu schlagen, daß sie es nie wieder wagen, ihre schmutzigen Füße auf den heiligen Boden des Landes Atahau zu setzen."
    Huasqa reckte sich. Die Hand faßte den Griff des Degens.
    „Danach wollen wir streben, Herrscher", sagte er feierlich.
     
    *
     
    „Da geht es schon los", sang Kuursen Ton in den düsteren Tönen des Unmuts. „Er verstößt gegen das Gebot des Gehorsams. Er begnügt sich nicht damit, einen Auftrag zu erhalten. Er will den Auftrag erweitern."
    „Er weiß nicht, was er tut", sagte Veedro, der die Szene im Palast von Ma Lua aufmerksam mitverfolgt hatte. „Indem er den erweiterten Auftrag annimmt, verringert er seine Gewinnchancen."
    „Das ist eine Sache der Deutung", widersprach Tomkan. „Es steht dem Schiedsrichter frei zu entscheiden, welchen Auftrag er gelten lassen will: den ursprünglichen oder den durch Huasqas Initiative erweiterten."
    „Ich werde darüber nachdenken", erklärte Kuursen Ton.
     
    *
     
    Auf dem Weg den Inauini hinab machte Huasqa sich Gedanken über das seltsame Verhalten, das er Ebhinor gegenüber an den Tag gelegt hatte. Er verstand nicht, was in ihn gefahren war. Der Waffenträger hatte das Gebot des Herrschers widerspruchslos hinzunehmen und zu handeln, wie ihm aufgetragen war. Er jedoch hatte sich zur Gegenrede erdreistet. Gewiß, es war ihm darum gegangen, noch mehr zu tun, als der Fürst ihm aufgetragen hatte. Dennoch war sein Benehmen im höchsten Grad ungewöhnlich gewesen.
    Noch immer empfand Huasqa kein Bedauern wegen seines Betragens. Im Gegenteil: Wenn sich eine ähnliche Situation wiederum ergäbe, würde er sich genauso verhalten.
    Der, der eigene Initiative entwickelte, diente dem Reich und dem Fürsten besser als einer, der nur stumm Befehle entgegennahm und sie sklavisch ausführte.
    Er hatte Manku auf den Vorfall angesprochen, und in seiner wortkargen Art hatte Manku geantwortet: „Ich kann mir dein Verhalten nicht erklären. Aber es gefällt mir."
    In zwölf großen Booten glitten sie den mächtigen Fluß hinab. Jedes Fahrzeug war mit fünfundzwanzig Kriegern bemannt. Fleißig tauchten die kurzen Ruder ins Wasser. Unter rhythmischem Gesang trieben die Atahau ihre Boote an, daß sie über das Wasser schossen wie Pfeile, die von der Sehne schnellten. Sechs Stunden stromabwärts von Ma Lua begann der Inauini, in weitem Bogen nach Süden auszuholen, um das Gebirge zu umrunden. Das Land war hügelig geworden. Wenn der Gesang der Ruderer eine Zeitlang verstummte, war hin und wieder das röhrende Grunzen der Icana zu hören, die nur in den Hügeln und zwischen den Bergen wohnte. Manchem der Krieger lief ein Schauder über den Rücken, wenn er das Geräusch hörte. Denn die Icana mit ihrem fürchterlichen Gebiß und dem mit Giftstacheln bewehrten Schwanz war der einzige natürliche Gegner, vor dem die Atahau sich

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