1284 - Templerehre
Gesicht blieb zurück als völlig verkohltes und geschwärztes Etwas.
Ich wusste, wer die Frau getötet hatte. Ich wollte den Killer. Wenn er mir in die Arme lief, war es der erste Schritt zur Lösung des Falls, dessen Gänze für mich noch im Dunkeln lag.
Die Nonnen wusste ich bei Suko in guten Händen, aber für mich sah es nicht so gut aus, denn als ich das Kloster verlassen hatte, blieb ich zunächst mal stehen.
Es war kein Mönch zu sehen!
Nirgendwo wehte die rote Kutte. Er hatte seinen Vorsprung gut ausgenutzt und war im Wald verschwunden, der hier dicht genug wuchs. Von meinen Lippen löste sich ein Fluch, während ich den Kopf mal nach rechts und dann nach links bewegte. Aber auch in diesen Ecken sah ich die verdammte Gestalt nicht, und das wiederum ärgerte mich.
Ich wollte mich auf keinen Fall von ihm an der Nase herumführen lassen. Er hatte sich nicht grundlos gezeigt. Er wollte etwas von mir, und auch ich war begierig zu erfahren, was sich hinter seiner hohen Kapuze verbarg. Für mich besaß der Mönch ein Gesicht, nur stellte sich die Frage, wie er tatsächlich aussah.
Ich ging weiter. Dabei rechnete ich damit, dass der Rote Mönch nach vorn gelaufen war, denn dort begann der Wald. Kein lichtes Gebiet, das von Spazierwegen durchdrungen war. Wer sich hier bewegte, der musste schon mit gewissen Anstrengungen rechnen. Und er bot verdammt viele Verstecke, denn hier hatte die Hand des Menschen nicht eingegriffen, und so war der Natur kein Widerstand entgegengesetzt worden.
Im Gegensatz zu meinem Gegner kannte ich mich hier nicht besonders gut aus. So musste ich auf gut Glück die Verfolgung aufnehmen.
Die Wärme hatte sich hier gehalten. Es schien zwar keine Sonne, doch die schwüle Luft war von den Bäumen, den Sträuchern und dem Unterholz angezogen worden wie das Wasser von den Poren eines trockenen Schwamms. Es war kein Vergnügen, diese Luft zu atmen, doch da musste ich durch.
Da half alles nichts.
Ich ging einfach in den Wald hinein. Nach jedem Schritt kam ich mir einsamer vor. Ich hatte das Gefühl, durch einen Sack zu schleichen, dessen Öffnung sich immer mehr zuzog und mich schließlich ganz verschlungen hatte.
Es waren keine anderen Laute zu hören als mein eigenes Atmen oder meine schleifenden Schritte.
Hin und wieder zerbrach etwas unter meinen Füßen. Dann raschelte altes Laub, aber es war auch das einzige Geräusch, das ich immer wieder hörte.
Bis ich den leisen Schrei vernahm!
Augenblicklich stoppte ich meine Schritte. In den folgenden Sekunden rann etwas Kaltes wie ein Eishauch meinen Nacken hinab, denn den Schrei hatte ich identifizieren können. Er war von einer Frau ausgestoßen worden, das stand fest.
Aber wo war das passiert?
Ich ging keinen Schritt mehr weiter, schaute mich um und wartete darauf, dass sich der Schrei wiederholte, was vorläufig jedoch nicht der Fall war. Ein wenig wie die Märchenfigur des Hänsel kam ich mir schon vor, denn auch ich suchte nach dem richtigen Weg, den ich allerdings nicht fand, und so blieb mir nichts anderes übrig, als darauf zu warten, dass sich der Schrei wiederholte.
Genau das trat nicht ein!
Die Stille kehrte zurück. Sie wirkte jetzt noch belastender auf mich. Sie drückte die Normalität zusammen, und ich hatte den Eindruck, dass sich der Wald immer mehr zusammenzog und bei mir für Beklemmungen sorgte.
Es war kein lichter, kein freundlicher Wald. Was sich hier zusammenbraute, das konnte mir nicht gefallen.
Eine feuchte Luft, eine seltsame, fast unheimliche Stille. Ab und zu ein geheimnisvoll klingendes Rascheln, das war auch alles, was meine Ohren beglückte.
Wenn ich noch länger stand und nachdachte, würde ich irgendwann vielleicht zu dem Ergebnis kommen, den Schrei nicht gehört zu haben, aber er war vorhanden gewesen, ich hatte mich nicht geirrt und war auch davon überzeugt, dass nicht der Rote Mönch diesen Laut abgegeben hatte. Es sei denn, unter seiner Kapuze verbarg sich eine Frau, möglicherweise eine Nonne.
Ich drehte mich auch um, doch in der seltsamen Luft war nichts zu sehen. Nur die Feuchtigkeit hing wie dünne, aber breite Tücher zwischen den Bäumen, und so blieb mir nichts anderes übrig, als selbst die Initiative zu ergreifen, denn in das Kloster zurücklaufen wollte ich vorläufig nicht.
Halb laut, aber trotzdem laut genug, rief ich in den Wald hinein: »Hallo…«
Meine Stimme verhallte. Ein Echo bekam ich nicht zu hören. Niemand gab mir eine Antwort. Trotzdem gab ich nicht auf und versuchte es
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