1284 - Templerehre
sagt es zumindest die Legende.«
»Baphomet!«
Nach meinem Wort zuckte sie leicht zusammen, drehte den Kopf und schaute mich aus großen Augen an. »Sie kennen ihn?«
»Leider.«
Lisette senkte den Blick. »Dann… dann sind Sie seinetwegen hierher gekommen.«
»Ja, im Prinzip ist er es. Aber es gibt auch noch den roten Mördermönch und jemand, der Vincent van Akkeren heißt.«
»Den kenne ich nicht.«
Ich glaubte ihr und wollte sie weiter befragen, denn ich ahnte, dass sie für mich eine Quelle an Informationen war, doch sie kam mir mit einer Frage zuvor.
»Warum nennen Sie ihn einen Mördermönch? Haben Sie dafür einen bestimmten Grund?«
»Und ob. Es ist noch nicht lange her, da hat er eine Frau umgebracht. Eine Nonne, die sich nicht auf seine und auf die Seite des Baphomet stellen wollte.«
Die Frau wollte es genau wissen. »Eine aus dem Kloster?«
»So ist es.«
Lisette schloss für einen Moment die Augen. Sie musste erst nachdenken. Ihre Lippen bewegten sich dabei, ohne dass sie etwas sagte. Sie strich mit beiden Händen durch ihr Gesicht, und auch das Zittern der Finger konnte sie nicht vermeiden.
»Wissen Sie mehr über die Nonnen?«, fragte ich.
»Es gibt kein Wissen«, flüsterte sie, »nur Ahnungen, und die können schlimm sein.«
»Ich höre gern zu.«
»Wie Sie wollen. Es scheint ja auch alles irgendwie zusammenzuhängen.« In den folgenden Sekunden hörte ich ihr zu, was sie mir zu sagen hatte. Die Nonnen waren Außenseiter in dieser einsamen Umgebung. Sie waren den Menschen nicht geheuer weil sie für sich lebten. Ich erfuhr die grauenhaftesten Geschichten, die man sich über sie erzählte. Angeblich sollten sie Kinder geraubt, gebraten und gegessen haben.
»Das sollte in dem Märchen Hänsel und Gretel passieren.«
»Das weiß ich. Aber die Leute reden nun mal so. Und Menschen ist alles zuzutrauen, darauf können Sie sich verlassen. Es gibt nichts, was es nicht gibt, und da schließe ich die Grausamkeiten mit ein.«
»Jedenfalls haben die Nonnen keinen guten Ruf«, schwächte ich ihr Fazit ab.
»So kann und muss man es sehen.«
»Hat man Ihnen denn etwas nachgewiesen?«
»Nein, das hat man nicht. Ihre abgeschottete Lebensweise macht den meisten Menschen Angst.«
»Das kann ich sogar verstehen. Aber ich hätte eine andere Frage, Lisette.«
»Bitte.«
»Haben Sie das Kloster schon besucht?«
Für einen Moment wurden ihre Augen groß. »Besucht? Ja, nein…« Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich will Ihnen sagen, dass ich es schon mal versucht habe. Ich stand vor dem Kloster, doch da verließ mich der Mut. Ich habe die Gesichter hinter den Scheiben gesehen und hatte das Gefühl, Dämonen vor mir zu haben und keine Menschen.«
»Soweit ist es noch nicht gekommen. Aber Sie haben Recht. Diese angeblich frommen Frauen stehen genau auf der falschen Seite. Da kann man eben nichts machen.«
Erst räusperte sie sich, dann schüttelte sie den Kopf und machte den Eindruck eines Menschen, der nichts begriffen hatte und dem trotzdem alles über den Kopf gewachsen war.
»Welche Probleme quälen Sie, Lisette?«
Sie strich über das rot gefärbte Haar. »Es kommt alles ein wenig plötzlich«, flüsterte sie dann.
»Wie meinen Sie das?«
»Das ist ganz einfach. Zuerst die Begegnung mit dem Fremden, dann sah ich plötzlich den Roten Mönch durch den Wald huschen und jetzt stehen Sie vor mir.«
Ich nahm es etwas lockerer. »Manchmal drängt sich eben alles auf einmal zusammen.«
»Das stimmt schon, aber der Fremde vorhin hat mir schon Probleme bereitet. Er kam zu meinem Haus, ich habe ihm den Weg hierher gezeigt, und wenn ich Sie anschaue, dann könnte er fast ihr Bruder sein.«
»Kennen Sie denn seinen Namen? Ich frage das, obwohl ich keinen Bruder habe.«
»Natürlich kenne ich ihn. Er heißt Godwin de Salier…«
***
Man lernt nie aus. Man erlebt immer wieder Überraschungen, und ich stand da wie vom Blitz getroffen.
Ich musste wohl ein recht dummes Gesicht gemacht haben, denn Lisette begann leise zu lachen.
»Was haben Sie denn?«
»Der Name«, flüsterte ich. »Haben Sie wirklich Godwin de Salier gesagt?«
»Ja, Sie haben sich nicht verhört.«
Ich schloss für einen Moment die Augen. »Er ist zwar nicht mein Bruder«, sagte ich dabei, »aber ich muss Ihnen schon Recht geben. Ich kenne den Mann, und ich bin - sagen wir mal - indirekt auch auf der Suche nach ihm. Wir sind Freunde. Godwin gehört zu den Templern, steht aber auf der anderen Seite.« Ich verriet keine
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