1285 - Der Vampirhasser
Schild hinweg floss das Licht. Videokameras überwachten mit ihren künstlichen Augen, und wir mussten eine Klingel drücken.
Der Weg hinter dem Tor, der bis zur Klinik hinführte, war ebenfalls beleuchtet, allerdings lagen die Seitenteile des Grundstücks im Schatten, sodass sogar die hohen Bäume verschluckt wurden.
Ich sprach meinen Namen in die Rillen der Sprechanlage hinein, vergaß Suko natürlich nicht, und ich hörte, dass man bereits auf unseren Besuch wartete.
Das Tor fuhr zurück. Wir blieben auf dem Weg und rollten auf das mächtige Gebäude mit den dicken Mauern zu. Es gab zahlreiche Fenster in den Mauern. Allerdings wurden die Ausstiege durch Gitter geschützt, die selbst von unten her verdammt dick aussahen.
Vor dem Eingang, auf einer Treppe und ebenfalls im Licht stehend, erwartete uns Dr. Sobec. Er war ein kleiner Mann mit pechschwarzen Haaren, die nicht so leicht zu bändigen waren und recht wuschelig auf seinem Kopf wuchsen.
Zu dem schmalen Gesicht mit den Bartschatten auf den Wangen passte die dicke Brille einfach nicht, aber das Lächeln, mit dem er uns begrüßte, war durchaus herzlich.
»Dann wollen wir uns mal zurückziehen. Kommen Sie, wir gehen am besten in mein Büro.«
»Nichts dagegen«, sagte Suko.
Der Arzt führte uns an der breiten Seite des Hauses entlang, aber wir gingen nicht bis zum Ende durch, sondern nur bis zu einer Seitentür, die Dr. Sobec aufschloss.
Wieder ging er vor. Sehr bald fanden wir uns in einem kahlen und irgendwie kalten Gang wieder, und viel angenehmer sah es im Büro des Klinikchefs auch nicht aus.
Plätze für uns waren vorhanden. Wir setzten uns so hin, dass wir uns anschauen konnten und nicht durch den Computer gestört wurden.
»Rauchen Sie?«
Wir verneinten.
»Aber ich darf doch.«
»Bitte.«
Dr. Sobec zündete sich eine Zigarette an. Er steckte sie in eine Spitze und meinte, während er dem Rauch nachschaute: »Sie sind also hier, um etwas über den Patienten Urcan zu erfahren.«
»Über den ehemaligen«, berichtigte ich.
»Ja, ja, schon gut, über den ehemaligen.« Er runzelte die Stirn und schaute dem dünnen Rauch seiner Zigarette nach. »Es ist nicht einfach, über ihn zu reden…«
»Warum nicht?«, fragte Suko. »Bitte, Doktor, wir sind nicht gekommen, um uns einen langen Fachvortrag anzuhören. Wir haben wenige konkrete Fragen, das ist alles.«
»Gut, ich höre.«
»Warum war er hier?«
Sobec saugte den Rauch tief ein. »Warum war er hier?«, murmelte er. »Er war eine gespaltene Persönlichkeit. Zum einen hatten wir es mit Urcan zu tun, zum anderen mit einer anderen Person.«
»War sie vage oder konkret?«
»Nein, nein, schon sehr konkret. Sie hat ja die Oberhand bei ihm gewonnen. Er hielt sich für den Erben des großen Vampirjägers van Helsing. Er war der Meinung, dass er einer der zahlreichen Verwandten sei, die ihren Ursprung auf van Helsing zurückführen. Urcan sah sich als der direkte Nachfolger an, und er hat sich entsprechend verhalten. Er rannte durch die Gegend und war auf der Suche nach Vampiren, die er pfählen und ihrem Schicksal zuführen musste.«
Suko und ich waren überrascht. Mit einer derartigen Wendung und beinahe schon Lösung des Falls hatten wir nicht gerechnet. Urcan lebte also in dem Wahn, van Helsing zu sein, obwohl dieser Mensch nicht richtig existiert hatte, sondern nur eine literarische Schöpfung des Autors Bram Stoker war.
»Das überrascht Sie, wie?«
»Ja«, gab ich zu.
Dr. Sobec drückte seine Zigarette aus. »Wenn Sie meinen Job hätten, würde Sie nichts mehr überraschen. Was meinen Sie, wie viele Patienten ich schon erlebt habe, die sich für irgendwen halten? Bei Urcan ist es nun van Helsing. Er lebte voll und ganz in dieser fremden Person und kleidete sich auch so wie er. Seinen richtigen Namen hat er manchmal sogar vergessen. Er war Dr. van Helsing, der Vampirjäger. In dieser Welt hat er sich bewegt.«
»Stuften Sie ihn denn als gemeingefährlich ein?«, erkundigte ich mich.
»Nein, nicht so schlimm, sage ich Ihnen ehrlich. Er hatte auch Freigang, natürlich im Outfit eines van Helsings, und er konnte auch amüsant sein.«
»Und bei einem dieser Freigänge ist er dann verschwunden, nicht wahr?«
»Ja, er schaffte die Mauer. Er konnte schneller laufen als sein Pfleger, das muss ich leider eingestehen. Seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört.« Dr. Frank Sobec hob den Kopf und auch die Schultern. Er fühlte sich unwohl in seiner Lage, schließlich trug er die
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