1286 - Todesruf der Geisterfrau
dir, Glenda? Bist du noch gesund?«
»Darauf kannst du dich verlassen, John Sinclair. Also: Kopf oder Zahl?«
Ich war noch nicht zufrieden. »Um was geht es denn?«
»Einer von euch soll im Büro bleiben. Hat Sir James zumindest gesagt. Der andere kann fahren.«
»Bestimmt nicht in Urlaub.«
Glenda lächelte mich maliziös an. »Nein, das nicht. Derjenige bleibt schon in London.«
»Sag schon!«, forderte ich sie auf.
»Kopf oder Zahl?«
Sie würde keine Ruhe lassen, ich kannte sie genau, und deshalb gab ich ihr auch die Antwort. »Zahl!«
»Gut.« Sie warf die Münze in die Luft. Suko und ich schauten dem Geldstück automatisch nach, wie es sich um die eigene Achse drehte und dann auf Glendas Handfläche zurückfiel. Die Zahl lag oben!
»Gewonnen, John.«
»Danke.« Erfreut hatte ich das Wort nicht ausgesprochen. Der Klang meiner Stimme entsprach auch dem Verlauf des vergangenen Morgens, der für Suko und mich alles andere als erfreulich vergangen war, denn wir hatten noch mit den Nachwirkungen des letzten Falls zu tun gehabt.
Da hatten wir eine menschliche Tragödie erlebt. Ein kranker Mann, der sich für den Nachfolger eines Dr. van Helsing gehalten hatte, war aus der Klinik ausgebrochen, um sich als Vampirjäger zu betätigen. Er hatte tatsächlich einen Blutsauger erledigt, doch in seinem Wahn hatte er in fast jedem Menschen einen Vampir gesehen, und so waren auch unschuldige Menschen ums Leben gekommen.
Schließlich war René Urcan dann von seiner eigenen Mutter gepfählt worden.
Das hatten wir noch aufzuarbeiten gehabt, und auch der Chef der Klinik hatte sich indirekt mitschuldig gemacht, weil er die Flucht des Patienten zu spät gemeldet hatte.
Die Mutter des Vampirhassers hatte sich in ärztliche Behandlung begeben. Ob sie je über ihre Tat hinwegkommen würde, stand in den Sternen. Zu tief war sie verletzt worden.
Jetzt hatten wir Mittag und eine Kleinigkeit gegessen. Den Rest des Tages hätten wir im Büro verbringen sollen, doch zumindest bei mir sah es nicht so aus.
»Dann sag endlich, was Sache ist«, forderte ich Glenda auf.
»Jemand möchte mit dir sprechen.«
»Wer denn?«
Glenda ging zu ihrem Schreibtisch. »Den Namen habe ich mir notiert. Der Mann heißt Eric Caine.«
Ich überlegte hin und her, ob ich ihn schon mal gehört hatte. Nein, er fiel mir nicht ein. Zumindest war er mir nicht in der letzten Zeit begegnet. Da Suko bei mir stand, fragte ich ihn.
»Sorry, aber einen Eric Caine kenne ich auch nicht.«
»Was ist denn mit ihm los?«
»Das musst du mich nicht fragen, John. Du musst nur zur Metropolitan Police fahren. Abteilung sechs. Dort hat man sich um ihn gekümmert. Ich könnte mir vorstellen, dass er sich in einer Zelle befindet. Aber das wirst du ja selbst sehen.«
Suko grinste breit und meinte: »Dann wünsche ich dir noch viel Spaß, Geisterjäger.«
»Ja, du mich auch.«
Begeistert war ich nicht. Aber Job ist Job. Und manchmal muss man eben einer noch so dümmlich anmutenden Spur nachgehen, um sich später keine Vorwürfe machen zu müssen…
***
Bei der Metropolitan Police fand ich zumindest einen Parkplatz auf einem abgetrennten Gelände. Das sah ich schon mal als kleinen Vorteil an.
Zur entsprechenden Abteilung musste ich mich durchfragen. Der Bau glich wie immer einem Bienenhaus. Hier gab es nie Ruhe, und da die Verbrechensquote in der letzten Zeit leider in London stark gestiegen war, hatten die Kollegen immer noch mehr zu tun, ohne dass die Mannschaften personell aufgestockt wurden. Es war zwar viel versprochen worden, aber eingehalten wurde nur wenig.
Man hatte mich angemeldet. Der Portier unten kannte mich. Sein süßsaures Lächeln wirkte nicht eben begeistert.
In der Abteilung, deren Mitarbeiter sich in einem Großraum-Büro verteilten, herrschte ebenfalls Hektik.
So etwas sah man oft in irgendwelchen TV-Krimis, wenn die Mitarbeiter vor den Computern saßen oder hektisch telefonierten und zwischendurch noch Verdächtige verhörten.
Ein Mann mit olivfarbener Haut und glatten schwarzen Haaren hatte schließlich Zeit für mich.
»Sie wünschen?«
»Mein Name ist John Sinclair und…«
Er ließ mich nicht ausreden. »Ja, der Geisterjäger. Klar, ich weiß Bescheid. Eric Caine wollte sie zwar nicht sprechen, aber Ihre Anwesenheit erschien uns ratsam zu sein.«
»Da machen Sie mich neugierig.«
»Hören Sie sich erst mal an, was er zu sagen hat.« Der Kollege streckte mir die Hand entgegen. »Ich heiße Neil Montero.«
»Okay.«
»Dann kommen
Weitere Kostenlose Bücher