1288 - Das Barbarentor
daran, dass sie über Funk Hilfe anforderten, obwohl sie längst erkannt haben mussten, dass jegliche Unterstützung zu spät kommen würde. Die schwarze Hand hatte bereits eine Höhe von mehr als tausend Metern erreicht, und sie beschleunigte immer mehr. Der Anführer der Dorfbewohner wollte etwas zu dem Priester sagen. Er wandte sich ihm zu - und erstarrte. Ropha Kherthrai blickte auf seine Brusttasche.
Er sah, dass die bei den Siganesen daraus hervorlugten und den Start der Gorim-Station beobachteten. „Ich erkläre es dir später", versprach er. „Sieh dir lieber die Gorim-Station an. Sie verschwindet gleich in den Wolken." Zögernd drehte der Anführer der Dorfbewohner sich um. Er sah gerade noch, wie die schwarze Hand in die Wolken tauchte, und allmählich verklang das Dröhnen und Kreischen der Triebwerke. Über dem Dschungel schwebten Hunderte von Antigravgleitern. Der Priester konnte sich vorstellen, wie es darin aussah. Die Somer saßen betroffen in den Maschinen und wussten nicht, was sie tun sollten. Die Gorim-Station war endgültig für sie verloren, denn sie hatten keine Raumschiffe, mit denen sie ihr hätten folgen können.
Ropha Kherthrai setzte sich wieder ans Feuer. „Jetzt habe ich Hunger", sagte er. Die anderen Mlironer setzten sich zu ihm, und er begann zu erzählen.
Er stellte ihnen die Siganesen vor und erläuterte ihnen die Zusammenhänge des Geschehens um Mliron, soweit er sie selbst verstanden hatte. „Jetzt verstehe ich, dass du auf den Berg wolltest", sagte der Anführer der Dorfbewohner. „Es war ein unvergesslicher Anblick, den man nur von hier oben wirklich genießen konnte. Für einen Moment dachte ich, die Welt geht unter."
Die Männer begleiteten Ropha Kherthrai an der Bergflanke entlang und auf der anderen Seite des Berges hinunter in den Dschungel bis hin zu einem ausgetretenen Pfad. Hier verabschiedeten sie sich von ihm und den beiden Siganesen. „Der Büffel trägt euch bis ins nächste Dorf", erklärte der Anführer. „Von dort geht es weiter mit einem Floß den Fluss hinunter, bis ihr an die Bahn kommt." Die Reise war noch lang und beschwerlich. Ropha Kherthrai und die beiden Siganesen brauchten zwei Tage, bis sie wieder in der Stadt unter dem Barbarentor waren.
Das letzte Stück fuhren sie auf der Ladefläche eines Lastwagens auf einer Straße voller Schlaglöcher. Sie waren ahnungslos, als sie in die Stadt kamen, in der ein lebhaftes Treiben herrschte. Tausende von Mlironern feierten innerhalb des Gettos unter offenem Himmel. Ausgelassen ging es auch auf dem Platz vor dem Tempel zu, wo Ropha Kherthrai abstieg und sich von dem Fahrer verabschiedete. „Hast du eine Ahnung, was hier los ist?" fragte der Fahrer. „Nicht die geringste", antwortete Ropha. „Aber ich werde es bald erfahren."
Der Wagen rollte langsam weiter, und der Priester wollte in den Tempel gehen. Istra Feta kam ihm entgegen, und zum erstenmal seit vielen Tagen sah er sie wieder unbeschwert lachen. „Was ist los?" fragte er. „Hat sich herumgesprochen, dass die Gorim-Station verschwunden ist?"
„Das auch", erwiderte sie, nachdem sie ihn begrüßt hatte. „Aber deshalb feiern wir nicht."
„Warum dann?"
„Die Somer haben uns die volle Souveränität gegeben", erklärte sie. „Damit sind wir endlich wieder Herren auf unserer eigenen Welt. Die Somer müssen sich mit der Rolle von Gästen begnügen." Ropha Kherthrai sah Ronald Tekener, Roi Danton, Jennifer Thyron und die Wyngerin, die sich durch die Menge schoben und sich ihnen näherten. „Und es ist kein Haken dabei?" fragte er. „Natürlich ist einer dabei", antwortete Istra Feta und wurde ernst. „Wir haben alle Freiheiten bekommen, aber unsere Regierung, die sich mittlerweile gebildet hat, musste sich, bereit erklären, diese auch mit der Waffe zu verteidigen."
„Mit anderen Worten, aus einem friedliebenden Volk von Mlironern soll ein Volk von Kriegern werden", sagte er bestürzt. „In der Vergangenheit haben die Somer es immer wieder geschafft, uns in Kriege zu verwickeln, obwohl wir nicht wollten. Wie soll dies nun erst in der Zukunft werden?"
„Ich bin davon überzeugt, dass unser Volk mittlerweile so reif geworden ist, dass es sich die Gladiatorenrolle nicht mehr aufdrängen lässt. Wir werden unsere Freiheit zu verteidigen wissen, aber anders, als man es von uns erwartet. Davon bin ich fest überzeugt."
Ropha Kherthrai begrüßte nun Tekener, Danton und die beiden Frauen. Um sich in Ruhe mit ihnen unterhalten zu können
Weitere Kostenlose Bücher