1292 - Die Blutbrücke
wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Sie runzelte nur die Stirn und hielt sich mit einem Kommentar zurück. Dann fuhr Jens auf seinem Hocker herum, und seine Augen strahlten.
»Was ist denn?«
»Es gibt sie, Angela.«
»Klar.« Sie nickte. »Das habe ich an deiner Reaktion erkannt. Jetzt musst du mir nur noch sagen, wo es die Brücke gibt.«
»Nicht in London. Nicht hier auf der Insel und nicht…«
»Das ist schon mal gut.« Angela dachte daran, dass die Entfernung zu weit war. Aber Jens ließ sich nicht beirren. »Wir sollten schon die Tickets für einen Flug bestellen.«
»Bitte?«
Er sprang auf und rieb seine Hände. »Ja, meine Liebe, wir fliegen nach Deutschland. Ab in die Heimat. Von Frankfurt aus nehmen wir uns einen Leihwagen und düsen nach Baden-Baden. Genau dort können wir die Blutbrücke finden.«
Er hatte seine Kollegin in den vergangenen Sekunden nicht zu Wort kommen lassen. Auch jetzt sagte Angela Finkler kein Wort. Sie hielt die Lippen zusammengepresst und brauchte Jens nur anzuschauen, um zu wissen, dass er unter allen Umständen fliegen würde. Wenn sie nicht mitmachte, würde er den Trip allein machen.
Reporter mussten nun mal so sein, und sie konnte ihm auch keinen Vorwurf machen. In ihrem Kopf bewegte sich etwas. Plötzlich fiel ihr etwas ein. Der Name der Stadt hatte bei ihr diese Initialzündung ausgelöst.
»Sagtest du Baden-Baden?«
»Das ist nicht schlecht.«
»Warum?« Er schaute schon auf die Uhr, denn jetzt drängte die Zeit.
»Ich habe einen Schulkameraden, der dort lebt. Wir haben uns damals sehr gut verstanden. Beide sind wir in der Nähe von Nürnberg aufgewachsen. Nach der Schule trennten sich unsere Wege. Heiko Fischer ist nach Baden-Baden gezogen. Was er jetzt dort macht, weiß ich auch nicht, aber ich weiß, dass er dort noch wohnt. Wir hatten vor einem halben Jahr mal ein Klassentreffen.«
»He, das ist großartig.« Jens klatschte in die Hände. »Da haben wir doch eine Anlaufstelle.«
Die Fotografin sagte erst mal nichts. Sie schaute ihren Kollegen nur an. Erst nach einer Weile hatte sie sich durchgerungen. »Nein, ich weiß nicht, ob wir das machen sollen. Heiko ist…«
»Tu es! Das ist unsere Chance.« Er schlug gegen seine Stirn. »Denk daran, was wir in der Hinterhand halten. Das ist eine Sensation, das ist der reine Wahnsinn. Wenn wir etwas herausfinden, was die Welt bisher noch nicht erlebt hat und das man auch nicht so leicht erklären kann, ist das der Hammer. Damit kommen wir groß raus. Das ist unsere Chance, auf die die älteren Kollegen immer warten. Und uns fällt so etwas in den Schoß.«
Angela war noch unsicher. »Ich weiß nicht… ich…«
»Ich fliege alleine und melde mich bei deinem Schulfreund. Diese Chance lasse ich mir nicht entgehen. Stell dir vor, was es heißt, dass wir die Blutbrücke gefunden haben. Erinnere dich an John Sinclair. Er hat den Begriff ebenfalls gehört. Ich glaube nicht, dass er ihn so schnell auf die Rolle bekommt. Wir aber werden dort sein, und wir können ihm dann einige Tipps geben.«
»Ja, ja…« Sie wusste, dass sie ihren Kollegen nicht vom Gegenteil überzeugen konnte. Was er sich in den Kopf gesetzt hatte, das führte er auch durch.
»Alles klar?«
Angela nickte. »Ich bin dabei.«
»Super. Keine E-Mail, sondern Telefon.«
»Das sowieso. Schließlich kenne ich seine E-Mail-Adresse nicht.«
»Okay, ruf du ihn an. Ich bestelle inzwischen die Tickets. Wir bekommen bestimmt noch zwei Plätze. Alles andere läuft dann automatisch ab.«
Jens Rückert war in seiner Euphorie nicht zu bremsen. Er sah die große Chance seines Lebens.
Angela Finkler dachte anders darüber. Tief in ihrem Innern spürte sie die bohrende Angst vor der Zukunft…
***
Heiko Fischer saß auf seinem Stuhl, hielt den Telefonhörer in der Hand und kam sich vor wie im falschen Film. Er schüttelte ein paar Mal den Kopf, schaute wieder auf das Telefon, aber es blieb still und brachte keine neuen Nachrichten.
Das war verrückt. Das war nicht möglich. Das hatte er geträumt. Aber es war kein Traum, was ihm Angela Finkler erzählt hatte. Sie würde tatsächlich kommen und sogar von London herüberfliegen, um sich in Baden-Baden um die Blutbrücke zu kümmern.
»Die Blutbrücke«, flüsterte er vor sich hin und legte den Hörer endlich auf. Er musste sich erst mit dem Ausdruck vertraut machen, denn gehört hatte er von dieser Brücke noch nicht, obwohl er selbst hier in der Stadt lebte und arbeitete. Er hatte in einer
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