1293 - Halloween-Horror
leiser Stimme: »Wie sieht es bei uns aus? Haben wir denn eine Chance, an die blonde Bestie heranzukommen?«
»Das weiß ich nicht. Sie wird sich eher uns zeigen. Jedenfalls gehe ich davon aus, dass sie uns unter Kontrolle hält. Sie weiß, wo wir sind. Umgekehrt wird leider kein Schuh daraus.«
»Also warten.«
»Sicher.«
Harry ging von mir weg. Er stellte sich vor das Absperrgitter und schaute darüber hinweg auf die Brücke. Immer wieder erhielt seine Gestalt einen gelblichen Anstrich.
»Sie feiern noch auf der Blutbrücke. Und sie ahnen von nichts. Für sie ist es eine tolle Halloweennacht. Vielleicht die beste, die sie bisher gefeiert haben. Jetzt ist Schluss mit lustig. Kannst du mir verraten, wie wir ihnen das beibringen sollen?«
»Noch nicht.«
Harry hob die Schultern. »Man könnte ihnen den Toten zeigen, zum Beispiel. Das wäre eine Radikalkur, aber da spielst du wohl nicht mit.«
»Es wäre das allerletzte Mittel.«
»Okay, versuchen wir es anders.«
Ich war mir nicht sicher, ob wir die Feiernden überzeugen konnten. Wären sie noch nüchtern gewesen, dann wäre es möglicherweise mit Argumenten gelungen. So aber hatte ich meine Probleme, denn der Genuss von Alkohol konnte einen Menschen sehr leicht aggressiv machen.
Keiner hörte mehr auf die Musik. Deshalb war sie auch abgestellt worden. Ein Punk mit grellroten Haaren und einem grünen Glitzeranzug wollte Stimmung in die Gruppe seiner Mitstreiter bringen und baute sich vor ihnen auf. Er winkte ihnen mit beiden Händen zu und gab dabei seine Kommentare ab.
»He, ihr müden Säcke. Wollt ihr nicht mit euren Ärschen hochkommen? Ist das eine Trauerfeier oder was?«
»Wir haben keine Lust«, erklärte die Hexe und winkte dabei mit ihrem struppigen Besen.
»Du pennst schon, wie?«
»Nein, aber wir müssen Kraft schöpfen. Es ist noch längst nicht Mitternacht. Wir haben viel zu früh angefangen.«
Der Punk lachte. »Ihr Weicheivertreter, weshalb sind wir denn hier? In der Disco zieht ihr auch durch.«
»Da ist es auch wärmer.«
»Ich lach mich dämlich. Ihr…«
»Das bist du doch schon!«, rief ein Skelett, das es sich am Brückengeländer bequem gemacht hatte.
»Hör jetzt auf mit deinem Gelaber. Pause ist Pause.«
Es war dem Punk anzusehen, dass er noch etwas sagen wollte, aber eine andere Person kam ihm dazwischen. Es war ein Typ, der sich als Dracula verkleidet hatte. Gut geschminkt, so dass er sogar Ähnlichkeit mit dem großen Christopher Lee bekommen hatte, nur dass sein Mund wie eine einzige rote Wunde aussah, als hätte dort jemand Rosenblätter dagegen geklatscht.
»Wo sind Andrea und Chris?«
Seine Frage stoppte alle Aktivitäten der anderen. Sie wirkten plötzlich gespannt, als wären sie aus einem Schlaf herausgerissen worden, um anzutreten.
»Nicht da.«
»Abgehauen, wie?«
»Nein, da steht noch ihr Van.«
»Dann liegen sie darin und pennen.«
»Wir können nachschauen.«
Genau das sollten sie nicht, und Harry und ich betraten genau zum richtigen Zeitpunkt die »Bühne«.
Wir mussten nichts sagen, man sah uns auch so, denn wir traten praktisch aus dem gelben Flackerlicht hervor, und augenblicklich spürten wir das Misstrauen, das uns entgegenschlug.
Wir passten nicht zu ihnen. Wir waren Fremde. Nicht nur vom Aussehen her, auch vom Alter und da fiel besonders Harry Stahl auf, dessen Haar bereits grau schimmerte.
Harry hob die Hand. Es war irgendwie zu spüren, dass er etwas Wichtiges zu sagen hatte. Plötzlich wurde es still. Selbst der Punk hielt sich zurück. Er stand wie von allen verlassen mutterseelenallein auf der Fahrbahn.
»Ich denke nicht, dass ihr nachzuschauen braucht«, sagte er in die Stille hinein.
»Woher weißt du das?«
»Ich weiß es eben.«
Jemand lachte überlaut. Es war nicht der Punk. »Sieh an, ein ganz Schlauer. He, du Alleswisser, wo kommst du überhaupt her? Wenn du mitfeiern willst, kannst du deine Maske ruhig auflassen. Dein Kumpel ebenfalls, wir sind ja nicht so.«
Einige lachten, wir lachten nicht und warteten ab, bis das Gelächter verklungen war.
Dann übernahm Harry wieder das Wort. Er redete nicht lange herum und kam sofort zur Sache. »Ich denke, dass ihr die Party beendet und die Brücke verlasst. Es gibt Gründe, warum wir euch darum bitten. Und ich möchte euch weiterhin bitten, keine Fragen zu stellen. Der Rückzug ist in eurem Interesse.«
Zuerst waren sie sprachlos. Dann schwirrten die Stimmen durcheinander. Obwohl wir nicht viel verstanden, war uns klar, dass sie
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