1293 - Halloween-Horror
müssten kommen und…«
Da, sie kamen. Aber von der linken Seite. Wir hörten sie keuchen, und dann erschienen vier schaurige Gestalten, die eine Person mit roten Haaren schleppten.
Ich betete innerlich, dass der Punk überlebt hatte. Niemand hielt mich zurück, als ich auf die Gruppe zuging und stehen blieb, als sie den Punk zu Boden sinken ließen.
Ich schaute auf sein Gesicht. Die anderen Zuschauer traten ebenfalls näher.
Er war mit dem Gesicht zuerst nach unten gefallen und auch so aufgeschlagen. Er hatte sich die Haut aufgerissen und die Nase eingedrückt. Es war mit Blut beschmiert. Die Lippen hatten ebenfalls etwas abbekommen und waren aufgerissen.
Als ich das leise Stöhnen hörte, war ich beruhigter. Er lebte noch, aber er würde sofort in ärztliche Behandlung müssen.
Harry dachte ebenso wie ich. »Wir müssen einen Arzt rufen!«, sagte er bestimmt.
»Ich habe ein Auto dabei«, meldete sich eine junge Frau, die ihr Kostüm ausgezogen hatte und ihre normale Kleidung trug. Lederjacke, Schal und Jeans.
»Bist du denn nüchtern?«, fragte Harry.
»Klar doch.«
Er hatte seine Zweifel. Auch mir war es lieber, wenn wir einen Arzt bestellten, aber das alles war plötzlich zur Nebensache geworden, denn jemand aus der Gruppe flüsterte: »Der Nebel kommt…«
Manch einer konnte das Gefühl haben, im Film von John Carpenter zu stehen. Auch in »Fog« waren die Menschen seltsam berührt und wurden ängstlich, wenn sie die Nebelwand sehen, die sich ihnen entgegenwälzte.
Hier war es ähnlich.
Die graue Masse drang nicht von den Seiten hoch, sie trieb als lautloser Schrecken von der anderen Seite der Brücke her auf uns zu und sorgte dafür, dass wir zunächst sprachlos wurden.
Nur einer nicht. Und Heiko Fischer sprach genau das aus, was Harry Stahl und ich dachten.
»Das Tor zu den Toten ist offen…«
***
Sie saßen zu dritt im Wagen, etwas abseits des Geschehens, und das war Angela Finkler und ihrem Kollegen sogar sehr recht. So konnten sie sich in aller Ruhe um Andrea Merand kümmern, die geduckt und zusammengekauert auf dem Rücksitz hockte, die Augen geschlossen hielt, hin und wieder die Lippen bewegte und dabei etwas Unverständliches murmelte.
»Sie ist völlig fertig«, sagte Angela leise.
»Vielleicht wäre es besser, wenn wir eine Arzt rufen.«
»Da sollten wir sie fragen.«
»Nicht unbedingt.«
»Lass uns noch etwas warten«, schlug Angela vor. Sie saß auf dem Beifahrersitz, hatte sich aber so gedreht, dass sie die blondhaarige Frau anschauen konnte. Auch Jens schaute in ihr Gesicht, das nicht nur verzerrt, sondern auch vom Weinen verquollen war.
Die beiden wussten nicht mal, ob Andrea überhaupt wusste, wohin sie gebracht worden war. Sie schien sich in ihre eigene kleine Welt verkrochen zu haben und hatte die Beine angezogen und eine embryonale Haltung eingenommen.
Auch die beiden Journalisten hatten ihre gesunde Gesichtsfarbe verloren. Sie konnten sich kaum vorstellen, was da passiert war. Ein junger Mann war plötzlich tot. Doppelt gestorben, weil er zu einem Vampir geworden war. Das hatten sie zwar selbst nicht gesehen, doch einem Mann wie John Sinclair glaubten sie.
»Es gibt sie also«, flüsterte Angela und fasste nach den Händen ihres Kollegen. »Verdammt, die Vampire leben. Das sind also keine Erfindungen, wie man immer sagt.«
»Ich will es gar nicht wissen.«
»Aber das musst du jetzt akzeptieren.«
»Nein, Angela.« Jens hatte seine Lockerheit längst verloren. »Wenn ich immer mit dem Gedanken herumlaufen würde…«
»Aber du hast doch diese Blonde in London schon mal gesehen. Das war keine Täuschung.«
Er schaute sie aus seinen braunen Augen an. »Ich weigere mich trotzdem, verstehst du? Ich will es einfach nicht. Ich hasse das. Ich will wieder in mein normales Leben zurückkehren. Was ich hier erlebe, hat mit dem Leben nichts zu tun. Das ist grausam und furchtbar. So etwas will ich nicht.«
Angela war in diesen Augenblicken stärker. »Aber hier müssen wir noch durch, Jens.«
»Leider.«
Er drehte sich so, dass er durch die Windschutzscheibe schauen konnte. Von der Brücke war nicht besonders viel zu sehen. Der kleine Wagen stand einfach zu ungünstig. Aber Jens erkannte die Bewegungen der Menschen schon.
»Siehst du Sinclair?«
»Ja, der ist noch dort.«
»Was tut er?«
»Kann ich nicht erkennen.«
Angela atmete laut ein. »Ich hoffe, dass er dem verdammten Spuk ein Ende bereitet.«
Jens erwiderte nichts darauf. Viel Hoffnung hatte er nicht. Ihm
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