1293 - Halloween-Horror
rollten und ihre gesamte Breite einnahmen, von einer Geländerseite bis zur anderen. Ob die Buchstaben des Namens wieder zusammenschmolzen, sahen wir wegen der Sichtverhältnisse nicht. Das spielte auch keine Rolle, nur die Masse war wichtig.
Bisher sah sie einfach nur grau aus. Es war nicht zu erkennen, ob sich irgendwelche Gestalten darin aufhielten. Jedenfalls sahen wir nichts von irgendwelchen Totenfratzen und ausgemergelten Körpern mit scharfen Krallenhänden.
Neben mir stand Harry. Bevor er sprach, nickte er. »Das Finale«, sagte er.
»Befürchte ich auch.«
»Und wie geht es dir?«
»Ich warte. Wie du.«
»Ja, ja, aber ich meine etwas anderes. Merkst du, dass du manipuliert worden bist?«
»Hör auf. Ich versuche an nichts zu denken. Ich will meinen Kopf frei haben. Das andere kommt noch früh genug.«
»Auch für die Leute hier?«
»Hoffentlich nicht. Aber wie ich Justine einschätze, ist sie einem wahren Rausch verfallen. Sie kann jetzt tun und lassen, was sie will. Hier gibt es keine Kontrolle. Nur sie kontrolliert, und das sind die uralten Kräfte, die sich hier auf dem Blutfeld und der Blutbrücke gehalten haben.«
Mehr wusste ich auch nicht. Die inneren Zusammenhänge waren mir unklar, aber ich stellte mich darauf ein, nicht so handeln zu können, wie ich es von mir gewohnt war.
Harry stellte noch eine Frage. »Was ist denn mit deinem Kreuz, John?«
»Es steckt in der Tasche.«
»Das meine ich nicht…«
»Es hat mir nicht viel geholfen.«
»Scheiße.«
»Du sagst es.«
Noch hatten wir Zeit, nur ließen wir den Nebel nicht aus den Augen. Ich musste daran denken, was mir Justine gesagt hatte, als wir uns gegenüber gestanden hatten. Diese Welt hier war für sie ein idealer Ausgangspunkt gewesen.
Eine Blutbrücke, ein Blutfeld, wo Menschen übereinander hergefallen waren. Wo das Böse nicht vergangen, sondern nur in eine andere Ebene gestiegen war, und die wiederum schaffte es, sich freie Bahn zu verschaffen. So drangen die Gedanken der Gefallenen, die sich in einer anderen Dimension manifestiert hatten, in die Köpfe der normalen Menschen ein und veränderten die Personen.
So war es bei Casey Jordan gewesen, so hatte es auch bei mir sein sollen. Aber ich konnte mich nicht mit dem Kollegen aus London vergleichen. Bei mir klappte es nicht so ganz, denn in mir steckte ein zu großer Widerstand.
Normalerweise hätte der Punk tot sein müssen. Zumindest, wenn er auf Casey Jordan getroffen wäre.
Aber er war es nicht. Er lebte, er hatte den Sturz überlebt, für den ich indirekt die Schuld trug, obwohl ich dazu nichts konnte, aber er hatte mich gereizt und die bösen Gedanken in mir hochkommen lassen, die ihn dann voll getroffen und ihm ihren Willen aufgedrückt hatten.
Es war auch schlimm, dass sich niemand der Zuschauer von der Brücke wegbewegte. Jeder blieb da stehen, wo er gerade war. Sie alle wirkten wie Puppen, die jemand aus Versehen nicht ins Schaufenster, sondern auf eine Brücke gestellt hatte. Sie waren von dem lautlosen und unheimlichen Vorgang fasziniert, der wirklich dem Nebel des Grauens aus dem Film »The Fog« nahe kam.
Er war dick. Er war quallig. Er besaß zwar eine graue Farbe, doch in seinem Innern schimmerte es leicht gelblich, als hätte sich dort normaler Qualm angesammelt, der aus irgendeinem brennenden Gebäude nach draußen quoll.
Der Punk lag auf dem Rücken. Er sah den Nebel nicht. Hin und wieder hörten wir den jungen Mann stöhnen. Kümmern konnten wir uns nicht mehr um ihn, auch seine Freunde taten nichts. Sie waren auf eine bestimmte Art und Weise fasziniert oder außer Gefecht gesetzt worden. Das kam eben alles hinzu.
Ich suchte Justine Cavallo. Sie würde kommen. Sie würde sich das nicht entgehen lassen, denn sie würde sich auch an meiner Niederlage weiden. Sie glaubte fest daran, mich unter Kontrolle zu haben, und ich war fest entschlossen, mich nicht so einfach fertig machen zu lassen, auch wenn ich durch sie manipuliert worden war.
Eigentlich hätte ein Windstoß in die Nebelwand hineinfegen müssen, um sie zu löchern. Den Wind merkten wir nicht, aber dass die graue Masse aufriss, war schon zu sehen. Sie dünnte aus. Gleichzeitig brachte sie das zu uns, was bisher in ihr versteckt worden war.
Die Geister der Toten. Der Gefallenen. Der Menschen, die an nichts anderem interessiert gewesen waren als daran, ihre Feinde zu töten. Die aufeinander eingeschlagen hatten, ohne eine Spur von Reue zu empfinden und die deshalb auf eine bestimmte Art und
Weitere Kostenlose Bücher