1294 - Der kopflose Engel
teilweise vom Dunst verschluckt. Bleiche Flecken in schwebenden Fahnen.
Es begann wieder leicht zu nieseln. Die winzigen Tropfen blieben auf der Außenscheibe kleben. Die Scheibenwischer putzten sie weg, den Dunst jedoch leider nicht.
Ich wäre gern schneller gefahren, um das Ziel früher zu erreichen, doch das Wetter ließ es leider nicht zu.
Hinter mir blieb es ruhig. Die Frauen wussten, dass ich mich auf das Fahren konzentrieren musste und störten mich nicht. Dunst macht jede Umgebung anders. Das war hier ebenso der Fall. Er hatte ihr ein gespenstisches Aussehen gegeben, in der die knorrigen Bäume aussahen wie von Geistern umspielt, die ihren Platz im Totenreich kurzerhand verlassen hatten.
Als die Bäume verschwanden, wurde es noch dunkler. Das lag an den beiden Seiten einer Böschung, die unseren Weg begleitete. An der rechten Seite befand sich ein Bahndamm. Ein rumpelndes und fauchendes Geräusch wischte an uns vorbei, begleitet von einem langen Schatten, der nur unzureichend erhellt war. Sekunden nur, dann hatte uns der Truck passiert und war vom Nebel verschluckt.
Unter einer Brücke fuhren wir her.
Der Weg führte geradeaus weiter. Die Böschung war verschwunden, und zum ersten Mal seit längerer Zeit meldete sich Mabel Denning.
»Wir müssen gleich abfahren, John. Noch vor dem nächsten Ort. Links geht es zur Kirche. Sie liegt am Rand.«
»Danke.«
Wegen des Dunstes hatte ich Mühe, die Abzweigung zu finden. Das Licht der Scheinwerfer brachte nicht viel, aber ich war vorgewarnt und hielt mich an die Aufforderung.
Von der Kirche war nichts zu sehen. Dafür rahmten Sträucher die Strecke ein. Auch hier trieb der Dunst entlang. Vom nahen Ort waren nicht mal Lichter zu sehen, aber an einer Wegbiegung, an der wir links einbogen, änderte sich die Umgebung.
Sie wurde offener. Die Scheinwerfer erfassten ein Gebäude, das keine Kirche war, sondern das Haus des Küsters, denn das hatten wir uns als Ziel ausgesucht. Den letzten Weg bis zur Kirche wollten wir zu Fuß zurücklegen.
Ich hielt an und drehte mich auf dem Sitz um. Die beiden Frauen saßen wie Puppen im Fond.
»Reicht das?«
Mabel Denning nickte. Ich löste meinen Gurt und hörte beim Aussteigen, dass Jane leise mit ihr sprach. Was sie sagte, verstand ich nicht.
Draußen blieb ich stehen und wartete auf die Frauen. In meiner Umgebung war es totenstill. Feuchtigkeit umgab mich, und der leichte Nieselregen war nicht zu spüren.
Ich sah das Haus des Küsters, aber der Bau der Kirche war nur zu ahnen. Endlich stiegen auch Jane und Mabel aus. Für mich war zu spüren, dass Janes Freundin Angst hatte. Sie wirkte, als wollte sie keinen Schritt weitergehen. Das merkte auch Jane. Kurz entschlossen hakte sie Mabel unter und zog sie zur Seite. Eine Lichtquelle sahen wir ebenfalls. Sie befand sich im Haus des Küsters, auf das wir zugingen. Ich hatte die Führung übernommen, die Frauen blieben dicht hinter mir.
Ein großer Teil der Geräusche wurde geschluckt. So waren wir auf den wenigen Metern kaum zu hören, und nahe der Eingangstür blieb ich stehen. Das Licht drang aus zwei Fenstern im Erdgeschoss. Einen Vorgarten entdeckte ich nicht. Dafür drückten meine Sohlen gegen matschig gewordenes Laub.
Die Tür war verschlossen, doch es gab eine Klingel. Den Knopf fand ich nach kurzer Suche und hörte wenig später das Signal im Innern des Hauses.
Das blieb auch alles. Kein Küster kam, um uns zu öffnen.
Ich drehte mich um und fragte Mabel Denning: »Bitte, was sagen Sie dazu?«
Sie hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Es ist ungewöhnlich. Normalerweise ist Adrian Morton um diese Zeit im Haus. Er wollte auf mich warten.«
Jane übernahm das Wort. »Da du nicht zurückgekommen bist, hat er sich Sorgen gemacht und ist vielleicht losgezogen, um nachzuschauen.«
»Meinst du, dass wir in der Kirche nach ihm suchen sollten?«
»Das denke ich.«
Auch ich war einverstanden. Von meinen Gedanken sagte ich den Frauen nichts. Ich konzentrierte mich wieder auf mein Gefühl, und das konnte ich nun wirklich nicht als gut bezeichnen. Es lag nicht nur am Wetter, sondern an den Umständen. Etwas lief hier nicht normal. Ich griff in die Tasche und holte die kleine Lampe hervor. Gegen den Nebel richtete sie zwar auch nicht viel aus, aber sie brachte immerhin ein wenig.
Wieder übernahm ich die Führung. Den richtigen Weg zu finden, war mehr als einfach. Es gab nur den einen, der auf die Kirche zuführte, die nicht weit entfernt lag, aber noch nicht zu
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