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1294 - Der kopflose Engel

1294 - Der kopflose Engel

Titel: 1294 - Der kopflose Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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später lag er auf dem Rücken vor uns am Boden.
    Mabel Denning traute sich erst jetzt, näher an den Engel heranzutreten. Noch immer wirkte sie, verkrampft und konnte ihren Blick nicht von dem Gesicht lösen.
    »Der Kopf sitzt noch fest«, flüsterte sie.
    »Fassen Sie ihn an!«
    »Nein!« rief sie und zuckte zurück, als hätte ich etwas Schreckliches von ihr verlangt. »Das kann ich nicht. Das ist unmöglich. Ich habe das Gefühl, als würde ich nicht ihn anfassen, sondern mich.«
    »Er… er… macht mir Angst.«
    Das verstand ich, aber so wie sich Mabel verhielt, würde ich es nicht tun. Ich brauchte mich nur zu bücken, um ihn zu berühren, und streckte schon meine rechte Hand aus.
    Schon beim Abnehmen hatte ich festgestellt, dass der Engel aus Holz geschaffen worden war. Er war kompakt, es gab keine hohlen Stellen. Das merkte ich, als ich seinen Körper abklopfte. Die Laute änderten sich nie.
    Dann untersuchte ich den Kopf. Längst kniete ich neben ihm, beobachtet von Jane und Mabel. Mich interessierte besonders der Hals. Wenn es stimmte, dass man ihm den Kopf abgeschlagen und ihn später wieder aufgesetzt hatte, dann musste es einfach Spuren geben, die ich allerdings nicht fand, auch wenn ich noch so sehr hinleuchtete.
    Das Licht meiner Lampe war nicht das einzige. Jane hatte Kerzen geholt und die Dochte angezündet, sodass sich ein warmer und leicht flackriger Schein ausbreitete, der auch über den Engel hinwegfloss.
    Sein Gesicht hatte eigentlich nie so richtig starr ausgesehen. Nun aber erhielt er ein zuckendes Leben. Manchmal kam mir der Engel vor, als wollte er mich anlächeln, dann wiederum zeigte er ein scharfes Grinsen. Der Gesichtsausdruck veränderte sich im Prinzip nicht, das heißt, es schob sich kein zweites über das erste Gesicht hinweg.
    Noch immer kniend hob ich den Kopf, um Mabel Denning anzuschauen. »Sie haben wirklich das Gesicht Ihres verstorbenen Vaters auf dem des Engels gesehen?«
    »Wenn ich Ihnen das doch sage!«
    »Schon gut. Ich wollte mich nur vergewissern.«
    »Aber jetzt ist es nicht da.«
    »Richtig. Und ich werde versuchen, das Gesicht wieder zurückzuholen.«
    In den folgenden Sekunden konnte sie nur staunen, um dann zu fragen: »Wie wollen Sie das denn machen?«
    »Lass ihn«, flüsterte Jane, »er kennt sich aus.«
    Ich war froh, dass Jane sich so verhielt, und kümmerte mich um mein Kreuz. Als ich es hervorzog, hörte ich den leisen Kommentar der Mabel Denning. Dann flüsterte Jane etwas, doch ich hörte beiden nicht zu, weil ich mich um meinen Talisman kümmerte und eigentlich etwas darüber verwundert war, dass er sich nicht »meldete«.
    Er gab keine Wärme ab, was mich leicht enttäuschte. Ich war davon ausgegangen, es nicht mit einem normalen Holzengel zu tun zu haben, dass in ihm etwas steckte, was eigentlich nicht in die Umgebung der Kirche gehörte.
    Es konnten die berühmten zwei Seelen sein, die in seiner Brust steckten. Den Beweis dafür hatte ich bisher nicht bekommen.
    Der letzte Blick in das Gesicht.
    Keine Veränderung.
    Dann tat ich das, was schon zur Routine gehörte. Ich wollte mit Hilfe des Kreuzes einen Beweis haben für die zweigeteilte Persönlichkeit der Figur.
    Wichtig war das Gesicht, denn davon hatte Mabel Denning immer wieder gesprochen.
    Millimeter nur schwebte das Kreuz über den frauenhaften Zügen des Engels. Ich wartete darauf, dass ein erster leichter Wärmestrom floss. Das trat leider nicht ein.
    Dann der Kontakt.
    Das Kreuz sank nach unten.
    Auf dem Gesicht blieb es liegen, aber ich hielt noch Kontakt mit meiner Hand.
    Wieder keine Wärme.
    Ich war enttäuscht und wollte das Kreuz schon zurücknehmen, um dabei Atem zu holen, als doch eine Reaktion eintrat.
    Wie hatte Mabel doch gesagt?
    Der Engel mit den zwei Gesichtern.
    Das erlebte ich in diesem Augenblick, denn über das hölzerne schob sich ein zweites.
    Und das war das Gesicht eines Mannes!
    ***
    In diesen Momenten, die sich sehr lange dehnten, sprach niemand von uns ein Wort. Jeder sah, was mit dem Engel geschah, doch niemand konnte eine Erklärung finden. Es war ein Phänomen, das auch mich in seinen Bann zog, und mir kamen plötzlich die Kreaturen der Finsternis in den Sinn, bei denen es ähnlich zuging. Auch sie besaßen zwei Gesichter, aber das hier lief trotzdem anders ab.
    Es war keine Fratze einer widerlichen dämonischen Kreatur, sondern das Gesicht eines Mannes, Mabels Vater.
    Ein breiter Mund. Große Augen. Eine kräftige Nase. Ein etwas hartes Kinn und eine hohe

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