1294 - Der kopflose Engel
Engels gesehen, als ich in die Kirche gekommen war.
Dr. Mason Denning!, schoss es mir durch den Kopf. So musste Mabels Vater ausgesehen haben, und ich erhielt Sekunden später die Bestätigung, denn mir wehten die Worte wie eine geflüsterte Melodie entgegen.
»Du bekommst meine Tochter nicht…«
Genau das war der Beweis!
Ich schluckte, und ich merkte, dass ich mich verkrampfte. Ich schaute auf die Waffe in seiner Hand und dachte dabei an den glatten Schnitt, mit dem der Kopf des Engels vom Körper getrennt worden war. Er konnte nur von dieser Waffe stammen. Ebenso leicht würde sie mir den Kopf vom Körper trennen, wenn es darauf ankam, aber noch hatte man mir eine Galgenfrist gegeben.
»Ich will Mabel auch nicht«, antwortete ich ebenso leise.
»Lüge. Du lügst…«
»Nein, ich…«
»Sie gehört mir. Ich bin ihr Vater!«
»Stimmt«, sagte ich und hatte vor, das Gespräch so lange wie möglich in die Länge zu ziehen. »Du bist der Vater. Aber du lebst nicht mehr. Du bist tot, verstehst du? Du hast kein Recht mehr, dich in dieser Welt zu bewegen. Du gehörst einfach nicht hierher. Genau das solltest du dir merken, verdammt. In dieser Welt ist kein Platz für Geister und keiner für Mörder.«
Er nahm mich nicht ernst. Er lachte mich aus, und ich ließ ihn zunächst mal lachen. Er machte auch nicht den Eindruck, als wollte er mich angreifen. Er blieb ruhig und wirkte weiterhin wie eine Gestalt, die man aus einem Nebel geformt hatte.
»Jeder, der sich meinen Plänen in den Weg stellt, wird vernichtet. Ich will es so.«
»Wie der Engel oder?«
»Auch er musste sterben.«
»Warum? Er hat dir nichts getan. Starb er nur, weil er das Gesicht deiner Tochter hatte?«
Mason Denning sagte zunächst nichts. Er bewegte sich auf der Stelle. Seine Waffe blieb in der ursprünglichen Lage, und so bestand für mich keine Gefahr.
»Willst du sie auch töten?« fuhr ich ihn an. »War die Vernichtung des Engels nur ein Anfang?«
»Er war ihr Schutz. Jemand hat ihn hergestellt, um Mabel zu schützen. Er besaß ihr Gesicht, und er sollte ihr Schutzengel sein. Verstehst du das? Aber gegen mich kann man sich nicht schützen. Auch nicht mit einem lächerlichen Engel. Ich habe ihm den Kopf abgeschlagen. Ich habe ihm gezeigt, wer die wirkliche Macht besitzt, und ich habe meiner Tochter bewiesen, dass ich noch da bin.«
»Das weiß ich inzwischen. Warum? Warum bist du noch auf diese Art und Weise vorhanden? Warum irrst du als mordendes Gespenst umher und tötest einen Menschen, der dir nichts getan hat? Es war der Küster, der nur seine Pflicht tat.«
»Ich will keine Zeugen haben. Alle, die sich mir in den Weg stellen, werden ihren Kopf verlieren. Ich will meine Tochter haben. Ich bin ihr Vater und…«
»Du bist tot.«
»Nein, ich lebe weiter!«
»Als Geist. Nicht mehr als Mensch. Dein Körper liegt in der Erde und fängt an, zu verfaulen. Einen Geist als Vater kann niemand akzeptieren. Weder ein Sohn, noch eine Tochter.« Schnell sprach ich weiter. »Aber ich gebe zu, dass du schon etwas Besonderes bist. Nicht jeder, der stirbt, schafft es, auf diese Art und Weise weiterzuleben. Das ist für mich schon verwunderlich. Du scheinst einen guten Kontakt zu den Mächten der Hölle zu haben.«
»Es ist nicht die Hölle!« flüsterte er mir entgegen. Seine Stimme schwebte dabei in den oberen Regionen der Tonleiter. »Was du als Hölle bezeichnest, ist für mich der große Sieg. Der Einstieg in den Himmel, denn ich habe den Weg zu ihnen geschafft. Sie haben mich in ihr Reich aufgenommen und wieder auf die Erde geschickt, auf der ich meine Prüfungen ablegen kann. Ich habe es geschafft, denn diesen Engel mit dem Gesicht meiner Tochter konnte ich töten. Er brachte es nicht fertig, sie zu schützen. So und nicht anders sieht es aus.«
»Engel gegen Engel?«
Ich hatte die richtige Frage gestellt, das erkannte ich an seiner Reaktion. Er zuckte für einen Moment zusammen, und danach sah es aus, als wollte er sich auf seine Zehenspitzen stellen.
»Ja, der Engel. Ich bin der Engel. Ich gehöre zu ihnen. Ich werde bei ihnen existieren können. Ich habe ihre Welt gesehen, und ich habe ihre Macht erkannt. Sie schickten mich wieder zurück, und nun werde ich meine Tochter holen. Erst wenn sie bei ihnen ist, gehöre ich endgültig zu ihnen. Da hat auch der Schutz nicht gereicht. Oder der Hinweis darauf, den jemand in die Kirche gehängt hat. Mabel hat es nicht begriffen, zumindest nicht sofort, und jetzt ist es zu spät.«
Ich war
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