1295 - Feuerfluch
vergessen.«
»Aber nicht…«
»Doch!«, rief sie. »Das Grauen muss ein Ende haben. Zwei Kollegen von mir hat es erwischt. Wir können nicht länger zuschauen. Das ist die Wahrheit, und nur deshalb sind wir hier. Ich finde, dass du uns unterstützen solltest.«
»Das habe ich getan.«
»Aber längst nicht genug. Du hast viel erzählt, aber wenig gesagt.«
»Was willst du denn wissen?«, flüsterte er.
»Namen, David.«
Moore schaute auf Ann herab. »Ach. Welche Namen denn?«
»Du hast doch erzählt, dass es Menschen gibt, die bereits Kontakt gehabt haben. Die ihr aufgelesen habt, als sie durch das Dorf gingen. Waren sie schon dort in der Ruine oder sind sie erst auf dem Weg dorthin gewesen? Kannst du das sagen?«
»Nein.«
»Dann sag die Namen!«
David Moore überlegte. Er befand sich in einer Zwickmühle. Das sahen wir ihm an. So verhielt er sich auch, denn er wand sich wie ein Aal.
»Rede bitte!«
»Der eine war Proctor.«
»Der Schafzüchter?«
»Ja.«
»Und wo ist er jetzt?«
»Wie immer bei seinen Schafen. Er lebt so weiter. Aber er spricht weniger. Er ist noch ruhiger geworden. Manchmal hört man ihn in der Nacht schreien, und seine Frau hat uns erzählt, dass sie sogar Feuer in seinen Augen sah.«
Ann war bleich geworden. Sie schaute Suko und mich an. Wir nickten synchron und deuteten ihr an, dass sie weitermachen sollte.
»Ist er jetzt zu Hause?«
David nickte schwerfällig. »Ich habe ihn heute schon in seinen Stall gehen sehen.«
»Dann werden wir ihn dort treffen.«
David Moore wollte widersprechen. Er hatte schon den Mund geöffnet, aber es drang kein Laut aus ihm hervor. Nur schnelle, heftige Atemstöße waren zu hören.
Ich stemmte mich an der Tischkante hoch. »Wir werden zu ihm gehen«, erklärte ich…
***
»Spürst du es auch, Meister?«
»Ja, sie sind da.«
»Sie haben uns im Schlaf gestört.«
»Leider.«
»Dann sind sie in der Nähe.«
»Das befürchte ich auch.«
Schweigen. Erst nach einer Weile war in der Dunkelheit wieder die Stimme des Adepten zu hören.
»Hast du dir überlegt, was wir tun sollen, Meister?«
»Du kennst den Plan auch.«
»Dann werden wir sie abrufen müssen. Oder willst du unsere Feinde selbst suchen gehen?«
»Nein, das ist nicht nötig, denn ich weiß genau, dass sie von selbst kommen werden.«
»Aber zuvor lassen wir die Hölle zu ihnen bringen. Das meinst du doch auch, oder?«
»Ja, das meine ich.«
In der Finsternis erklang ein Lachen. »Wir haben immer schon gewusst, dass wir einmal kämpfen müssen. Jetzt ist der Tag gekommen.«
»Der Tag des Feuers.«
»Und der Tag der Hölle…«
»Genau, mein junger Freund…«
***
Wir hatten David Moore zwar gefragt, ob er uns begleiten wollte, doch er hatte sehr schnell abgelehnt.
Er wäre sich wie ein Verräter vorgekommen, wenn er dem Schafzüchter gegenübergestanden hätte.
Im Ort hatte man sich gegenseitig versprochen, Stillschweigen über das Geschehen zu bewahren.
Daran wollte sich Moore halten.
Nicht so seine Schwester. Sie ging mit uns. Sie kannte auch den Weg, und sie war ehrlich genug zuzugeben, dass sie Angst hatte. Schließlich fühlte sie sich noch immer für den Tod ihrer beiden Kollegen verantwortlich. Das konnten wir ihr auch nicht ausreden.
Das Wetter zeigte die ersten Veränderungen. Verschwunden war das fast sommerliche Blau des Himmels. Wolken hatten sich herangeschoben und eine graue Farbe angenommen. Sie filterten die Strahlen der Sonne, die sich immer stärker in Richtung Westen orientierte, wo sie dann hinter den weichen Hügeln verschwinden würde.
Es war auch kühler geworden. Ein leichter Wind strich über die Erhebungen hinweg und streichelte unsere Gesichter. Ann Moore, die hier geboren und aufgewachsen war, hob hin und wieder die Schultern, was uns auffiel.
»Was haben Sie für Probleme?«, fragte ich.
Neben einer Gruppe Birken blieb sie stehen. Dahinter gab es einen Graben, der eingezäuntes Weideland begrenzte. »Es ist schwer zu sagen, ich kann nur recht allgemein werden. Ich denke schon, dass hier einiges anders geworden ist.«
»Das ist normal, wenn man so lange nicht…«
»Nein, Mr. Sinclair, es ist nicht normal. Ich gehe auch nicht von irgendwelchen äußeren Veränderungen aus. Hier stimmt was nicht, und das beziehe ich auf die Bewohner.«
»Wieso?«
»Es ist die Stille«, sagte sie leise, als fürchtete sie sich davor, jemanden zu stören. »Die verdammte Stille, die mich bedrückt. Die Menschen sind anders geworden. Sie leiden. Wir
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