1295 - Feuerfluch
Kloster. Sie sind nicht tot. Sie haben überlebt. Das Feuer konnte ihnen nichts antun. Das wussten sie, als sie das Kloster angesteckt haben. Man sagt ihnen nach, dass sie im Blut gebadet haben. Sie sind wahre Teufel gewesen und haben diesen Ort in einen Stützpunkt der Hölle verwandelt. Alle anderen sind im Feuer umgekommen, nur sie haben überlebt, das ist schlimm.«
»Wann geschah das?«
»Vor einigen hundert Jahren.«
»Woher wissen Sie das?«
»Die Geschichte hat sich bis in die heutige Zeit gehalten. Schon immer haben Menschen davor gewarnt, dass es in den Ruinen noch ein bestimmtes Leben gibt. Sie liebten das Feuer. Es hat ihnen nichts ausgemacht. Sie sind selbst in die Flammen gegangen und erstarkten. Zwei, die durch das Land zogen und ihre Spuren hinterließen. In den Kirchen und den Klöstern sollen sie gewütet haben, und das glaube ich auf jeden Fall. Ja, es stimmt, es stimmt alles.«
»Dann sind sie also jetzt auch noch da«, sagte Suko und erntete zunächst einen schrägen Blick.
Ann stieß ihren Bruder an. »Sind sie noch da oder sind sie es nicht, David?«
»Ja, sie sind da.«
Ann schloss die Augen. Auch wir sagten nichts. Schließlich fragte sie: »Hast du sie gesehen?«
»Nein, ich nicht. Aber andere hier im Dorf. Sie sind in ihre Falle gelaufen.«
»Können wir sie sprechen?«
Ann bekam keine genaue Antwort. »Wir haben immer Angst. In der Nacht mehr als am Tag. Wir wissen, dass sie unterwegs sind. Sie haben sich nicht nur unser Dorf ausgesucht, sondern auch die Orte in der Umgebung. Sie schicken böse Gedanken, und manchmal erleben die Menschen ihre Träume so intensiv, dass sie sogar ihr Bett verlassen. Ich habe sie gesehen, als sie in der Nacht durch den Ort gingen und zum Kloster wollten.«
»Haben sie es geschafft?«
»Das weiß ich nicht. Einige haben wir festhalten können. Aber wir mussten sie fesseln. Es war schlimm. Sie sprachen vom Feuer und von ihrem heißen Blut. Leider konnten wir ihnen nicht helfen.«
Der starke Mann zuckte zusammen und begann zu beben. Dann schlug er die Hände vors Gesicht und sprach nicht mehr.
Für Suko und mich stand fest, dass wir gerade zur richtigen Zeit gekommen waren. Hier hatte sich etwas zusammengebraut, das unbedingt vernichtet werden musste. Mittelpunkt waren ein Mönch und sein Adept, die schon in der Vergangenheit ihre grausamen Spuren hinterlassen hatten und so etwas wie Herren über das Feuer waren.
»Gab es Tote?«, flüsterte ich.
Jeder von uns hörte David Moore schwer atmen. Eine Antwort erhielten wir erst später. »Es gab Tote, aber ich bin nicht sicher, ob die anderen daran Schuld trugen.«
»Wieso wissen Sie das nicht?«
»Es passierte auch nicht hier im Dorf, sondern in den anderen Dörfern. Dort starben Menschen, und man hat sie sehr schnell begraben. Man wollte wohl nicht, dass die Wahrheit herauskommt. Es wurde alles unter der Hand gehalten.«
»Man spricht also nicht darüber?«, fragte Suko.
»Nein. Man hat Angst. Es kann jeden von uns treffen. Alle hier haben das Gefühl, dass sie auf einer Liste stehen, die allmählich abgearbeitet wird. Auch hier im Dorf, da bin ich ehrlich, obwohl ich noch nicht in das Elend hineingekommen bin. Aber sie waren schon hier. Das wurde mir gesagt. Manche Menschen haben von ihnen geträumt, und sie sind auch in der Nacht losgegangen.«
»Aber sie sind nicht gestorben?«
»Zum Glück nicht. Ich habe mal von einem Keim gesprochen, der in ihnen steckt.« Mit einer schwerfällig anmutenden Bewegung drückte sich der Mann in die Höhe. »Mehr kann ich dazu auch nicht sagen. Nur den Ratschlag wiederholen. Fahren sie zurück, hören Sie auf mich. Vor allen Dingen du, Ann.«
»Nein!«
David richtete sich auf. Seine starken Hände ballten sich zu Fäusten. »Willst du hier sterben, wo du geboren bist?«, flüsterte er. Auf seinem Gesicht erschien eine Gänsehaut.
Ann schaffte sogar ein Lächeln. »Das hatte ich nicht vor. Deshalb habe ich Hilfe mitgebracht.«
Moore musste lachen. Er schaute gegen die Wand, wo einige übereinander gestapelte Körbe standen. »Wie will ein Mensch gegen diese Geschöpfe ankommen? Das ist unmöglich. Schon unsere Vorfahren haben es versucht und sind gescheitert.«
»Wir machen trotzdem weiter«, erklärte Suko.
»Aber lasst meine Schwester aus dem Spiel!« Es war ihm anzusehen, dass er es ernst meinte. Auf seiner Stirn schwoll eine Ader an, die deutlich sichtbar hervortrat.
»Ich bin für mich selbst verantwortlich, David, das darfst du nicht
Weitere Kostenlose Bücher