1295 - Feuerfluch
bei ihm stand. Ein Griff an der Schulter. Dann schleuderte er den Mann herum, der nach hinten taumelte und erst durch das Gitter gestoppt wurde.
Er wollte sich wieder abstoßen, ließ es aber bleiben, weil Suko vor ihm stand und ihm den rechten Arm mit dem ausgestreckten Zeigefinger entgegenstreckte.
»Lieber nicht!«
Es musste wohl der Ton der Stimme gewesen sein, der den Schäfer warnte. Proctor blieb tatsächlich stehen und bewegte sich so gut wie nicht, nur sein Atem ging hektisch.
Neben mir bewegte sich Ann Moore. Sie zitterte leicht und schaute auf die Heugabel. »Einen von uns hätte sie bestimmt getroffen«, sagte sie flüsternd.
»Wahrscheinlich.«
»Was treibt den Mann dazu? So kenne ich Proctor nicht.«
»Die Angst, Ann. Es ist die reine Angst.«
»Wahrscheinlich haben Sie Recht.« Sie hielt sich zurück, während ich mich vor Proctor aufbaute.
Bisher hatte der Schäfer Suko in seinem Blickfeld gehabt. Das änderte sich, denn nun schaute er mir ins Gesicht. Ich rechnete eigentlich mit einem wütenden, möglicherweise sogar hasserfüllten Ausdruck, aber dem war nicht so. Sein Blick irritierte mich schon, denn darin las ich wieder die Angst.
Ich jagte sie ihm ein! Warum?
Ich ließ einige Sekunden vergehen, bevor ich ihn ansprach. »Wir sind wirklich nur gekommen, um Ihnen zu helfen, Mr. Proctor. Das müssen Sie uns einfach glauben. Wir wollen nicht, dass Ihnen etwas passiert. Wir wissen Bescheid, was abgelaufen ist, wir kennen Ihre Träume, und wir können verstehen, dass Sie sich fürchten. Aber wir sind gekommen, um Ihnen sowie den anderen Menschen hier im Dorf die Furcht zu nehmen. Bitte, das müssen Sie uns glauben.«
Er kaufte es mir nicht ab, sonst hätte er sich anders verhalten. So aber stand er da, atmete hektisch und hatte die Augen weit geöffnet.
Suko, der dicht neben mir stand, flüsterte mir etwas ins Ohr. »Ich werde das Gefühl nicht los, dass du ihn nicht bekehren kannst, John. Das andere sitzt einfach zu fest, und ich fürchte, dass es in der nächsten Zeit zum Ausbruch kommt.«
»Das Feuer?«
»Ja…«
Er hatte nicht so Unrecht. Ich erlebte auch die Veränderung, denn jetzt merkte ich den leichten Wärmestoß auf meiner Brust. Da hatte sich das. Kreuz gemeldet. Ich dachte daran, wie Serge Poliac auf das Kreuz reagiert hatte. Mich durchfuhr ein schlimmer Gedanke. Ich dachte daran, dass ich möglicherweise derjenige war, der durch das Kreuz das Böse hervorholte, das sonst verborgen in der Gestalt steckte.
Und so war es auch.
Der Schäfer veränderte sich. Jeder von uns sah das Rot in seinen Augen. Kleine Glutpunkte, die sich in den Pupillen festgesetzt hätten. Zugleich schrie er uns an. »Es brennt! Es brennt in mir! Es ist so heiß…«
Ich dachte sofort an Serge Poliac, aber hier lief es trotzdem anders ab. Flammen schlugen aus seinem Mund, den Ohren und auch aus den Nasenlöchern. Der Schäfer brannte von innen, und er stürmte nicht von uns weg, sondern auf uns zu.
Bevor einer von uns reagieren konnte, hatte er sich gegen Ann Moore geworfen und umschlang sie mit beiden Armen…
***
Ann war so perplex, dass sie gar nichts tat. Sie musste alles mit sich geschehen lassen. Sie spürte den Druck des Körpers und auch die Hitze, die er ausstrahlte.
Sie hörte den Schäfer schreien, sie sah das Feuer, dessen kleine Flammen auch gegen sie schlugen, um die Kleidung in Brand zu setzen.
Suko hatte sich zuerst gefasst. Er sprang mit einem gewaltigen Satz auf die beiden zu. Mit seinen Armen umfasste er die heiße Gestalt und zerrte sie zurück.
Auch Ann half ihm. Sie hatte mehr Platz bekommen. Beide Fäuste schlug sie in das heiße Gesicht des Schäfers, der die Schläge hinnahm und keinerlei Schmerzen zu spüren schien.
Suko wuchtete ihn herum. Der Schäfer taumelte durch den Stall auf die Tür zu. Von draußen erreichte uns das laute Blöken der Schafe. Die Tiere schienen zu spüren, dass hier Schreckliches vorging.
Ann Moore war endlich frei. Sie torkelte zurück und blieb an der Leiter stehen.
Suko und ich konnten uns um Proctor kümmern, was wir nicht mehr mussten. Er hatte genug mit sich selbst zu tun. Noch hielt er sich auf den Beinen, aber der Feuerfluch war dabei, ihn zu vernichten.
Es war ein ebenso schlimmes Sterben wie auch bei Serge Poliac. Nur gab es hier keine Scheibe, gegen die er seinen Körper hätte pressen können. Er berührte mit dem Rücken die im Boden steckende Heugabel, und das jagte eine Idee in ihm hoch. Mit den ihn umtanzenden Flammen drehte
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