1295 - Feuerfluch
werden wir sie suchen müssen. Drücken Sie uns die Daumen, dass wir sie so schnell wie möglich finden.«
»Das tue ich.« Sie schluckte. »Der Himmel möge uns allen beistehen.« Sie streckte ihren Arm aus und ergriff die Hand des Bruders, der starr in seinem Sessel saß und nicht einmal hinschaute, als Suko und ich den Raum verließen…
***
Die Haustür zog ich leise zu. Mein Freund war schon ein paar Schritte vorgegangen. Er stand wie eine Figur in der grauen Nacht und wartete auf mich.
»Nichts zu sehen, John.«
»Was meinst du?«
»Das Feuer.«
»Wir stehen nicht hoch genug. Außerdem wird uns die Sicht von den Häusern genommen. Ich bezweifle allerdings, dass der Anrufer gelogen hat.«
»Sehen möchte ich den Schein trotzdem.«
»Dem steht nichts im Wege.«
Wir mussten nicht weit gehen, um eine Lücke zu finden. Kein Haus störte unsere Sicht jetzt, als wir in die Richtung schauten, in der auch die Ruine lag.
Ja, da war es tatsächlich heller. Dort wurde die Dunkelheit von einem helleren Schein aufgerissen, der über einem bestimmten Fleck schwebte. Rötlich und leicht gelb war der Widerschein zu erkennen.
»Was sagst du, John?«
Ich hob die Schultern. »Er sieht verdammt schwach aus.«
»Kein Wunder, wenn das Feuer irgendwo in der Erde seinen Ursprung hat. Aber da ist noch etwas. Der Schein bewegt sich nicht. Er ist und bleibt nur starr. Deshalb gehe ich davon aus, dass dieses Feuer auf einen bestimmten Ort begrenzt ist. Wie ein Kamin, in den kein Wind hineinfährt. Ist aber unwichtig.«
Da hatte er Recht. Primär war für uns, dass wir die beiden Gestalten fanden, die es irgendwie geschafft hatten, das Feuer auf ihre Art und Weise zu beherrschen. Sie besaßen Kräfte, die weit über die der Menschen hinausgingen, und wahrscheinlich hatten sie es auch geschafft, den Tod zu überwinden.
Das war einem normalen Menschen nicht möglich. So etwas konnte nur mit einer bestimmten Unterstützung geschehen. Dafür kam nur die Hölle und deren Umfeld in Frage.
Wir wussten, aus welcher Richtung die beiden Gestalten kommen würden. Aber wir gingen ihnen nicht entgegen. Es gab einfach zu viele Möglichkeiten, den Ort zu betreten. Um sie zu fangen, hätte man schon eine Kette aus Wachtposten aufstellen müssen. Für die andere Seite war wichtig, den Ort zu erreichen. Hier konnten sich die Gestalten austoben, hier würden sie neue Opfer finden und hier in Green's Hook hatten sie bereits ihre Spuren hinterlassen.
Wir gingen davon aus, dass es Menschen gab, die bereits von ihnen besucht worden waren und sich möglicherweise auf ihre Seite stellten, wenn sie jetzt im Ort erschienen. Wenn das passierte, mussten wir mit mehr Gegnern rechnen.
»Gefällt dir die Ruhe, John?«
Ich schüttelte den Kopf. »Es ist irgendwie eine Totenruhe, wenn ich ehrlich sein soll.«
»Kommt mir auch so vor.«
Wir waren wieder zurückgegangen und hatten die Dorfmitte erreicht, in der wir uns nun aufhielten. Es war noch nicht spät, und ich kannte kleine Orte, in denen das Leben auch bei Anbruch der Dunkelheit nicht gestorben war, aber hier sah alles anders aus.
Hier ließ sich niemand blicken. Die Natur schien den Atem anzuhalten. Nichts passierte. Keine Stimmen. Keine Musik. Keine Geräusche von einem Fernseher.
Natürlich brannte Licht in den Häusern und erhellte auch die Fenster. Es lockte uns trotzdem nicht. Es machte auf uns eher einen abweisenden Eindruck, als wollte es uns sagen, dass wir um alles in der Welt nur draußen bleiben sollten.
Es brachte uns nicht viel, wenn wir auf einem Fleck stehen blieben und darauf warteten, dass sich etwas ereignete. Genauso wichtig war es, durch den Ort zu gehen und die Augen offen zu halten. Man rechnete ja immer mit einem Hinweis, der einen weiterbringt.
So gingen wir über die »Hauptstraße« wie zwei einsame Westernhelden. Die Straße blieb leer. Die Dunkelheit hatte alles wie mit grauschwarzer Farbe bedeckt.
Suko blieb stehen. Dabei hob er die Hand. So gab er mir bekannt, dass er etwas gehört hatte.
»Und?«
Suko deutete nach rechts. »Da war was!« Er meinte eine dunkle Gasse.
»Hast du was gesehen?«
»Nein. Aber es hört sich an, als hätte eine Tür geknarrt. Kann sein, dass jemand kommt.«
Wenn das zutraf, wollten wir nicht zu schnell entdeckt werden, und deshalb huschten wir zur Seite, bis wir eine dunkle Stelle an der gegenüberliegenden Straßenseite erreicht hatten.
Im Schatten eines vorspringenden Daches blieben wir stehen und beobachteten die Einmündung
Weitere Kostenlose Bücher