1295 - Feuerfluch
der Gasse. Dort bewegte sich noch nichts. Nach wie vor lag die Dunkelheit wie zäher Schlamm. Aber ich konnte mich auf Sukos Ohren verlassen. Wenn er behauptete, etwas gehört zu haben, dann stimmte das, und so warteten wir weiterhin ab.
Einige Sekunden verstrichen, in denen es noch ruhig blieb. Dann war es damit vorbei, denn wir vernahmen ein ungewöhnliches Quietschen. Als wäre etwas dabei, nicht richtig rund zu laufen, weil man vergessen hatte, gewisse Stellen zu ölen.
Wir sprachen nicht. Aber wir sahen, das sich etwas tat. Nicht weit von der Einmündung der Gasse entfernt entdeckten wir zum ersten Mal die Bewegung, die auch weiterhin von einem leisen Quietschen begleitet wurde.
Sekunden später sahen wir es deutlicher, obwohl auch jetzt kein Licht brannte.
Eine Gestalt schob sich aus der Einmündung der Gasse her auf die breitere Straße. Sie war nicht allein, denn sie führte etwas neben sich her.
Suko lachte leise. »Das ist ein Bike.«
Jetzt war auch klar, dass das Quietschen dadurch verursacht wurde.
»Perfekt«, flüsterte Suko.
»Wieso?«
»Nun ja, da wird jemand einen Ruf gehört haben.«
»Das werden wir gleich haben.«
Keiner von uns wollte den Mann fahren lassen. Der traf auch keinerlei Anstalten. Er schob sein Rad so weit vor, bis beide die Mitte der Straße erreicht hatten. Dort blieb er stehen, die Hände um die Griffe des Lenkers gelegt.
Das war genau der Augenblick, in dem wir uns aus unserer Deckung lösten. Ob der Mann uns bemerkte, war nicht festzustellen. Jedenfalls reagierte er nicht auf unser Kommen, und erst als wir vor ihm standen und ihm den Weg versperrten, hob er den Kopf.
Er gehörte nicht mehr zu den Jüngsten. Über 60 war er bestimmt. Das Gesicht kam mir bleich vor. Auf seinem Kopf saß eine flache Schirmmütze.
War er harmlos? Gehörte er zur anderen Seite wie auch Proctor? Noch erkannten wir nichts. Sein Blick blieb normal. Es tanzten keinerlei Flammen darin, und es glühte auch nichts auf.
Suko überließ es mir, ihn anzusprechen. Mein Freund beobachtete dabei die Umgebung so gut wie möglich.
»Hallo«, sagte ich leise und auch freundlich. »So spät noch unterwegs?«
»Ja.« Er bewegte seine Hände an den Griffen entlang wie ein Motorradfahrer, der Gas geben wollte.
»Wo wollen Sie denn hin?«
Nach dieser Frage war es aus mit seiner Freundlichkeit. Die Augen erhielten einen starren Blick, das nahm ich selbst bei diesen Sichtverhältnissen wahr.
»Was geht Sie das an?«
»Wir sind eben besorgt.«
»Wer sind Sie denn?«
»Wir sind zwei Männer, denen das Wohl der Bewohner hier sehr am Herzen liegt.«
»Ich kenne euch nicht. Verschwindet.«
Wir würden wohl auf Granit beißen. Aber ich hatte nicht vor, zu gehen. Ich ließ meine Hand in die rechte Tasche der Lederjacke gleiten. Dorthin hatte ich das Kreuz verbannt. Ich wollte herausfinden, ob es sich erwärmte und so eine Nachricht abgab, aber das war nicht der Fall. Es blieb so normal wie immer.
»Sagen Sie uns bitte, wo Sie hinfahren wollen.«
»Nein!«
Auch der schroffe Ton brachte mich nicht aus der Ruhe. »Kann es sein, dass Ihr Weg Sie nach Bayham Castle führt?«
Zum ersten Mal erlebten wir so etwas wie eine Reaktion bei ihm. Er zuckte zurück und mit ihm sein Rad. So brachte er Distanz zwischen uns. Wir hörten ihn einige Worte flüstern, die wir nicht verstanden. Dann schob er seinen alten Drahtesel noch weiter zurück.
So einfach wollte ich es ihm nicht machen. Aber Suko hatte etwas dagegen, dass ich ihm folgte, denn er hielt mich am linken Ärmel meiner Jacke fest.
»Nicht, John!«
»Warum nicht? Was ist…«
»Es sind noch andere gekommen!«
Da ich mich auf den Mann mit dem Rad konzentriert hatte, war es mir nicht möglich gewesen, auf die Umgebung zu achten. Das tat ich jetzt und musste erkennen, dass Suko Recht hatte.
Auf der Straße, aber weiter von uns entfernt, sah ich die Menschen, die aus irgendwelchen Häusern gekommen waren. Mit dem Radfahrer waren es insgesamt vier Personen, die nicht mehr in ihren Häusern bleiben wollten. Sie standen im Hintergrund der Straße und bildeten dort eine Reihe. Wie Personen, die darauf warteten, etwas zu erleben oder sich gegen irgendwen zur Wehr setzen zu müssen.
»Das sind sie, Suko«, flüsterte ich. »Das sind diejenigen, die sich die Typen geholt haben. Vier aus diesem Ort. Vier, die vom Feuer infiziert worden sind.«
»Mit Proctor wären es fünf gewesen.«
»Ja…«
»Fragt sich nur, was sie vorhaben«, flüsterte Suko.
Genau
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