1296 - Wenn der Albtraum kommt
darüber zu spekulieren, die Praxis würde mir eine Antwort geben.
Suko blieb ruhig. Er schien abzuschätzen, wie weit die verdammte Masse noch von uns entfernt war.
Drei, vier Meter? Das konnte stimmen. Ich wollte etwas sagen, weil mir das Schweigen auf die Nerven ging, aber dann passierte vor uns etwas, das mir die Worte in die Kehle zurückdrückte.
Theo Gain erschien wieder!
Er schien die weiße Masse zur Seite geräumt und sich so eine Lücke geschaffen zu haben. Diesmal sahen wir ihn nicht als Skelett mit der blutigen Sense, er sah aus wie immer.
Kein Mann, keine Frau, ein Clown, der keine menschliche Seele und keine positiven Gefühle hatte. Er trieb wieder seine Späße. Er lachte lautlos. Er warf den Kopf wieder vor und zurück, er rieb seine Hände und ruckte immer wieder mit dem Kinn in unsere Richtung. Er sprang in die Höhe, breitete dabei die Arme aus, spielte den Hampelmann und drehte sich ein paar Mal auf der Stelle.
Hätten Kinder im BMW gesessen, sie hätten vermutlich gelacht. Wir grinsten nicht mal, und hinter uns fasste Corinna Scott die Aktivitäten zusammen.
»Er verhöhnt uns. Er weiß genau, dass er besser ist. Er hat Spaß an unserer Angst.«
»Er hat noch nicht gewonnen«, sagte ich. Meine Stimme hatte sehr ruhig geklungen, obwohl ich innerlich kochte. Am liebsten wäre ich ausgestiegen, um diesem verdammten Clown den Hals umzudrehen.
Er verschwand auch wieder, nachdem er sich mit einer letzten Verbeugung verabschiedet hatte.
»Und jetzt wird es Ernst. Der Spaß ist vorbei«, flüsterte Suko.
Er meinte damit die straßenbreite Masse, die nicht daran dachte, zu stoppen und immer näher an den Wagen herankroch. Meiner Ansicht nach schien sie auch gewachsen zu sein, denn sie ragte verdammt hoch vor uns auf.
»Sie frisst uns, sie frisst uns!«, flüsterte Corinna Scott von der Rückbank her. »Es gibt kein Entrinnen.«
Ihre Stimme senkte sich. »Das ist der Anfang der Hölle…«
Wir gingen nicht näher auf ihre Bemerkung ein. Noch einmal dachte ich über eine Flucht zu Fuß nach, aber der Gedanke verschwand wieder schnell aus meinem Kopf. Ich konnte mir vorstellen, dass uns diese Masse keine Chance ließ.
Sie war dünner geworden. Oder es lag daran, dass sie so nahe an den Wagen herangekommen war und jetzt »zuschnappte«.
Es war kein Geräusch zu hören, doch vor unseren Augen spielte sich ein unheimlicher Vorgang ab.
Der erste Teil der Kühlerhaube verschwand unter dem weißen Brei, und es sah aus, als wäre er regelrecht abgefressen worden.
Ich konnte mir leicht vorstellen, wie es in Suko aussah. Zwei Mal schon hatte er seine Fahrzeuge auf unnatürliche Art und Weise verloren, und jetzt wies alles darauf hin, als würden wir mit dem BMW gemeinsam zur Hölle fahren.
»Das glaube ich nicht«, flüsterte er, als er sah, wie die Masse immer näher heranwalzte. Sie war gefräßig. Sie ließ sich durch nichts auf ihrem Weg stoppen. Uns war längst die Sicht nach vorn genommen worden, denn die Nebelmasse baute sich vor uns auf.
Auf der hinteren Sitzbank fand Corinna Scott Zuflucht in einem Gebet. Wir wünschten beide, dass es ihr half, aber stoppen konnte sie die Masse auch nicht.
Was war sie überhaupt? Nebel? Schleim? Beides zusammen? Oder etwas völlig anderes, an das wir nicht mal dachten?
Es war jetzt müßig, sich darüber Gedanken zu machen. Es würde uns auch nicht helfen, denn die Masse rollte lautlos weiter. Nichts konnte sie davon abhalten, uns bis auf die letzte Stoßstange zu verschlucken.
Und so lief es auch ab. Wir saßen völlig untätig im BMW. So etwas war uns auch noch nicht oft passiert, aber es lag auch daran, dass wir beide wissen wollten, wo und wie es endete, um möglicherweise noch einen Erfolg zu erzielen.
Wir schauten zu den Seitenfenstern hin, an denen die ganze Pracht vorbeizog. Ein wenig war es wie in einer Waschanlage. Wenn man die Schaumwäsche durchlaufen hatte, trat wieder die normale Welt zum Vorschein.
Hier würde es vermutlich nicht so sein. Trotz des Drucks war ich gespannt, wie es endete, und wo wir letztendlich landeten.
Corinna Scott hatte aufgehört zu beten. Wir hörten sie nur heftig atmen.
Über das Dach schwappte die Masse hinweg, und es war auch jetzt nicht mal ein leises Kratzen zu hören. Bisher war alles in einer absoluten Lautlosigkeit abgelaufen, und das war auch weiter der Fall.
Ich drehte mich noch einmal um. Diesmal interessierte ich mich nicht für Corinna Scott. Ich wollte noch etwas von der normalen Welt
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