1299 - Zeit der Bestie
Vergnügen hatte man sich am Tag gegönnt.
Warten…
Es passte uns nicht. Wir gehörten nicht zu den Menschen, die genügend Geduld aufbrachten. Wir mussten aktiv sein, und wenn ich daran dachte, Stunden in diesem Eisgefängnis zu verbringen, wurde mir ganz anders.
Zudem wussten wir nicht, ob die Bestie in der folgenden Nacht auch wieder zuschlagen würde. Wir konnten nur auf den Vollmond bauen und auf seine antreiberische Kraft.
Ich hörte Suko laut atmen. »Ich bin noch immer nicht davon überzeugt, dass Harris der Killer ist. Ich kann mir das einfach nicht vorstellen, auch wenn du ihn gesehen hast. Wenn ich mich mal in seine Lage versetze, dann hätte ich mich anders verhalten als er. Dann säße ich jetzt nicht so ruhig in meinem Hauptquartier herum, noch zusammen mit einem Kollegen, der mir auf der Spur ist.«
»Das ist eben die Cleverness.«
»Hast du nicht trotzdem daran gedacht, dass es ein anderer sein könnte, John?«
»Nein. Tanner hat ihn unabhängig von mir identifiziert. Das hat mich eben so sicher gemacht. Ich selbst hätte mich irren können, aber zwei Personen zugleich?«
»Stimmt schon.«
»Und trotzdem bist du anderer Meinung?«
»Ja.« Suko lächelte etwas schief. »Ich weiß sowieso nicht, was ich von alldem halten soll. Wir haben es hier wohl nicht mit einem Werwolf zu tun. Mir fällt das ein, wenn ich daran denke, wie er sich Terry McBain gegenüber verhalten hat. Er ist in seine Küche gegangen. Er hat sich aus dem Kühlschrank etwas zu essen geholt. Er hat es in sich hineingestopft wie ein Ausgehungerter, aber er hatte den Menschen, das eigentliche Opfer, in Ruhe gelassen. Kannst du dir das erklären?«
»Noch nicht.«
»Hunger bedeutet«, fuhr Suko fort, »dass es trotzdem noch menschliche Züge bei ihm gibt. Wenn wir das weiterspinnen, können wir davon ausgehen, dass er sich noch nicht völlig in einen Werwolf verwandelt hat. Da muss noch etwas anderes in ihm schlummern. Ich weiß auch nicht, welche Bezeichnung man ihm geben könnte. Für mich liegen die Dinge komplizierter als sie aussehen.«
»Ja, da kannst du Recht haben.«
»Terry McBain hat nicht unbedingt auf Harris hingewiesen, wenn ich das mal so sagen darf, John. Ich habe wirklich meine Probleme, mir das vorzustellen.«
»Warum sieht er dann aus wie Harris?«, fragte ich mit ruhiger Stimme. Ich stand Sukos Argumenten durchaus offen gegenüber.
»Hat er das bewusst getan?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wir stecken also fest.«
»Ja.«
»Willst du, dass es so bleibt, John?«
Nach dieser Frage musste ich lachen. »Verdammt noch mal, was sollen wir denn tun? Ich bin gedanklich wirklich am Ende. Ein besserer Plan fällt mir nicht ein.«
»Also warten?«
»Hast du eine bessere Idee?«
Suko lächelte. »Ich formuliere soeben eine in meinem Kopf. Ich frage mich, warum die Bestie diesen Terry McBain besucht hat. Er drang bei ihm ein, er räumte den Kühlschrank leer. Er tat ihm aber nichts. Desgleichen hat er uns angegriffen. Das sind zwei Hinweise. Er will keine Zeugen haben. Er will nicht, dass man ihn beschreibt, und so könnte ich mir vorstellen, dass er das nachholen wird, wozu er in der vergangenen Nacht nicht gekommen ist. Oder?«
»Könnte sein.«
»Dann müssen wir ebenfalls damit rechnen, dass er sich wieder an uns heranwagt.«
»Was nicht das Schlechteste wäre«, sagte ich.
»Und Terry McBain?«
Ich hob die Augenbrauen. »Der ist verschwunden. Untergetaucht bei einem Freund.«
»Dessen Adresse herauszufinden wird wohl kein Problem für uns bedeuten. Ob wir nun hier sitzen oder noch mal bei ihm vorbeifahren, ist im Prinzip egal.«
»Hast du sonst noch einen Vorschlag?«
»Im Moment nicht. Du denn?«
Schon die ganze Zeit über ging mir etwas durch den Kopf, das ich einfach nicht los wurde. Ich blieb dabei, dass ich den Captain in mutierter Form vor mir gesehen hatte. Leider wusste ich zu wenig über ihn. Mir war nicht bekannt, wie er lebte und ob er allein wohnte oder verheiratet war. Der letzte Gedanke traf meiner Meinung nach eher zu, und so unterbreitete ich Suko den Vorschlag, es mal bei Harris privat zu versuchen.
»Ja, nicht übel. Telefonieren oder hinfahren?«
»Nein, direkt zu ihm.«
»Okay.«
Ich hatte schon zum Handy gegriffen, um Sir James anzurufen, der in seinem Büro wartete. Als er meine Stimme hörte, schreckte er hoch. »Haben Sie einen Erfolg erzielen können?«
»Nein, das habe ich leider nicht, Sir. Wir haben eine Idee.« Ich legte sie ihm offen, und sie traf nicht auf taube
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