13 alte Esel
mit der Peitsche hinter ihnen her, und zwei ernste kleine Buben stolperten fast über ihre Beine beim eifrigen Abrupfen und Sammeln weiterer Grasbüschel, die sie den Fressenden brachten. Ihre Bewegungen waren unkindlich zögernd, Unsicherheit- flackerte in den Augen und über die runden Stirnen, doch die Fäuste krallten sich kräftig ins Gras, und in ihrem Verhältnis zu den Eseln klangen schon nach einem Tag beschützende Töne an.
»Müsse nich an die Ohren kommen, denn freßt er nich, der Otto !« mahnte Bernd gerade.
Der Förster wandte sich wieder seinem Gesprächspartner zu. »Was ist denn das für ein Unsinn: nicht mal unglücklich, so unglücklich waren sie ?«
Don Chaussee fand die Formulierung zwar einsichtig genug, dröselte sie aber geduldig auseinander: »Wenn man nicht weiß, was Glück ist, kann man nicht unglücklich sein, oder? Und nicht zu wissen, was Glück ist — na, wenn das kein Unglück ist! Nicht, als ob ihnen was abgegangen wäre«, fügte er schnell hinzu, Mißdeutungen des Gesagten vorbeugend, »Essen, Trinken, warmes Bett, ordentliche Pflege — alles da. Sie wußten nur nicht so recht, was sie anfangen sollten mit sich, was sie durften und was nicht. Sehen Sie, die Ziehmütter und die >Tanten<, die sich ihrer annahmen, taten es ja ums Geld, und da ist es am bequemsten, die Würmchen gleich von vornherein so zu erziehen, daß sie keine Arbeit machen. >Das darfst du nicht...< von morgens bis abends. Als sie endlich durften, wußten sie nichts Rechtes damit anzufangen. Jetzt wissen sie, daß sie mit Onkel Otto spielen dürfen, soviel sie wollen. Na, sehen Sie, und nun lernen sie allmählich glücklich zu sein. Ganz einfach.« Die Augen des Försters waren nachdenklich geworden. »Hm«, sagte er zögernd, »sehr einfach .« In einem anderen Ton fuhr er fort: »Immerhin haben Sie gerade zugegeben, daß die Esel an diesem Glück schuld sind, und da ich Ihnen die Esel besorgt habe, können Sie mich nicht verpflichten, Ihnen obendrein noch meinen halben Wald zu geben .«
Die Querfalte, die Don Chaussees Mund bildete, reichte von einem Ohr zum anderen. So was hatte er gern. »Nun passen Sie mal auf: Erst haben Sie mir die Esel angedreht, und die Esel haben das Geländer kaputt gemacht — Ihre Schuld! Dann hab’ ich die Trümmer zusammengesucht und dabei ein paar Esel und ‘n paar Kinder glücklich werden lassen — mein Verdienst. Und jetzt würden die Kinder und die Esel unglücklich werden, wenn ich den Schaden nicht bald und kostenlos repariere; na, das wäre dann einwandfrei wieder Ihre Schuld! Zwei zu eins für mich!« Triumphierend blies er dem Förster eine Wolke kräftigen Knasterqualms ins Gesicht. »Krieg’ ich mein Holz? Gratis?«
»Erbarmen !« Hustend entfloh Kösters ins Haus, von wo er bald mit der unvermeidlichen Flasche und zwei Gläsern zurückkam. »Kommen Sie, alter Erpresser, mir schwirrt der Schädel von Ihrer Logik. Trinken wir erst mal einen .«
»Zweie von mir aus, solang’s auf Ihre Kosten geht .«
Damit begann die Sitzung, in deren Verlauf viel Papier mit langen Berechnungen und immer wieder neuen und anderen Längs- und Querschnitten, Vorder-, Seiten- und Rückansichten der unterschiedlichsten Geländer, Wegeinfassungen, Gartenbänke, Tische und Wegweiser bekritzelt wurde. Es erwies sich, daß wirklich nicht sehr viel Holz erforderlich war, und wenngleich es trocken sein mußte, brauchte es nicht erstklassig zu sein. Die Geländer konnte man stückeln, die Wegweiser sahen krumm viel hübscher aus, und zu Bänken und Einfassungen ließen sich schon Abfallknüppel verarbeiten. Der Förster war schließlich selber Feuer und Flamme und warnte nur vor der vielen Arbeit.
»Das macht gar nichts«, meinte Don Chaussee gelassen, »ich hab’ ja Hilfe genug .«
Erst als er weg war, bedachte der Förster diese Bemerkung und be- m dauerte den Armen herzlich, der sich offensichtlich ahnungslos im Heim noch auf Hilfe verließ.
Don Chaussee bummelte indessen seelenvergnügt durch den Wald zurück. Ferdi führte Onkel an einem einfachen Halsstrick; Otto lief frei hinterdrein. Onkel hatte entweder in den letzten Tagen ununterbrochen gefressen oder sich den Löwenanteil am Heu gesichert, oder er war von vornherein nicht ganz so abgetrieben gewesen wie der Rest, jedenfalls schwoll die Haut neben dem Rückgrat, und was sie schwellen ließ, war festes Fleisch, nicht Wasser. Und da er zudem nahe am Widerrist ein Büschel strähniges Langhaar hatte — von Mähne zu reden
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