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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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Martha dachte, wenngleich aus etwas anderen Beweggründen, ähnlich. Sie rührte am Herd das Birnenmus, eine Tasse Kaffee neben sich, aus der sie hin und wieder einen Schluck nahm. »Soll ich dich mal ablösen, damit du in Ruhe Kaffee trinken kannst ?«
    »Danke«, sagte sie eisig, »vielleicht läßt du mich irgendwo noch nach meiner Fasson selig werden? Du mischst dich ohnehin genug ein. Die Kinder sind total verhetzt. Früher gehorchten sie ohne Wimperzucken; alles funktionierte glänzend. Diese neuen Faxen...«
    »Laß ihnen doch ein bißchen Spaß, sie sind noch so jung«, murmelte er.
    »Spaß, Spaß — ah !« höhnte sie. »Hat mich jemals jemand gefragt, ob es mir Spaß macht? Als ich so jung war wie sie, hatte ich’s elend schlecht. Willst du etwa behaupten, ich bereite ihnen heute nicht die bestmöglichen Freuden: warme Kleider, ein trockenes Dach über dem Kopf, gesundes, nahrhaftes Essen? Alles das habe ich nicht gehabt. Ich hätte so aufwachsen sollen! Ein Paradies ist es, was ihnen geboten wird. Aus dem Dreck kommen sie in geordnete Verhältnisse — ohne einen Finger dafür rühren zu müssen. Da redest du von Spaß und Freude. Es gibt nur eine echte Freude, und das ist die Befriedigung über gutgetane Arbeit. Die sollen sie empfinden, darauf bereite ich sie vor, wie ich es für meine Pflicht halte. Das Leben ist kein Zuckerlecken — wenigstens nicht für alle«, schloß sie mit einem scharfen Seitenhieb, »aber was verstehst du schon von Pflichterfüllung und den Freuden, die sie bereitet !«
    Don Chaussee unterbrach sie nicht. Die knappen, bestimmten Sätze prasselten wie Steinhagel auf ihn nieder, nahmen ihm den Atem. Er versuchte gar nicht zu antworten. Sie konnten nicht miteinander sprechen. Anfangs hatte er es für Scheu gehalten und geglaubt, es werde sich ändern. Es hatte sich nicht geändert. Eine Mauer stand zwischen ihnen, und diesseits und jenseits der Mauer redeten sie für sich allein wie in fremden Sprachen. Er schüttelte hilflos den Kopf. Wenn man miteinander sprechen kann, dachte er, findet man immer einen gangbaren Weg. Ihm schien, als suche Martha gar keinen Weg mehr, als sei sie unerschütterlich überzeugt, den ihren gefunden zu haben, ein für allemal. Was immer man nun sagte, empfand sie als einen Angriff, gegen den sie sich mit bitteren Anschuldigungen wehrte. Man mußte seine Worte sehr behutsam wählen. »Sie sind noch so jung und lachen so wenig, und die Arbeit rutscht so viel besser mit...«, versuchte er sie zu besänftigen.
    Sie unterbrach heftig: »Rutschen! Seit wann soll sie das denn? Getan werden soll sie, in harter Mühe. Nur dann befriedigt sie. Und was rutscht denn auch schon bei dir? Das Gartenfeld haben wir im vorigen Jahr an einem Nachmittag umgegraben — allerdings arbeitend, nicht firlefanzend .«
    Danach wurde es dann auch, hätte er in plötzlich aufwallendem Unwillen am liebsten gesagt. Als er die tiefen Falten um ihren Mund sah, erlosch der Wunsch. Es schmerzte ihn, daß sie litt. Ihre Nasenflügel bebten verächtlich, als sie fortfuhr: »Und du verstehst es nicht, dir Autorität zu verschaffen. Die Kinder lachen über dich — einen Mann ohne Beruf, ohne Posten, der den Tag über herumrennt, dumme Geschichten zum besten gibt, mit den Leuten schwätzt, sich anbiedert. Ah, wenn du wüßtest, wie widerlich mir das alles ist!« Schweratmend hielt sie inne; der Rührlöffel flog durchs Mus. Zischend verbrannten ein paar breiige Spritzer auf der Herdplatte, rochen penetrant. Sie wischte sie mit einem Lappen weg, wobei er ihr Gesicht kurz sehen konnte. Es war weiß und verdüstert und zornig. Das Schweigen wurde lastend. Er hatte das vage Gefühl, daß sie auf eine Antwort wartete. Doch was er auch sagen würde, sie würde es als Kränkung auffassen und erneut ihren Groll über ihn ausschütten.
    Bedrückt ging er in den Garten zurück, und wieder fielen ihm, wie am Mittag, die ersten Reihen schwer. Sie war so unglücklich, und es war seine Schuld. Vielleicht war es falsch, wie er die Kinder behandelte? Zu nachgiebig? Wenn er alles das hier drangäbe, energisch einen Strich zöge und zu Herrn Ess aufs Büro ginge, dann würde sie zufrieden sein, und er fände am Abend einen ruhigen Platz am Ofen vor. Wahrscheinlich würde sie auf ihre Art gut für ihn sorgen, ihn womöglich schweigend umsorgen. Sie war ja nicht schlecht, nur so ganz anders als er. Ruhe, Frieden — wie er sich danach sehnte! Dieses Ausbrechen und Davonlaufen, unter fremden Himmeln schlafen,

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