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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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vorige auch nicht, un das war einer, der konnte einen aus der Hölle ziehen, wenn er einen bloß ansah, hat unser Vader selig immer gesagt .«
    Die alte Frau Münte schüttelte entschieden den ergrauten Kopf, strich sich die Lüsterschürze glatt, die sie für den Besuch umgebunden hatte, und goß neuen Beerenschnaps ein.
    »Nich, Vader ?« fragte sie ihren Mann, der massig in seinem Ohrensessel saß und, die Hände vor dem Bauch gefaltet, an der langen Pfeife zog. Er hörte kaum noch und konnte schlecht gehen; so saß er den lieben langen Tag neben dem blanken Herd oder draußen vor der Tür in der Sonne, zufrieden, ständig rauchend und offenbar an nichts denkend. Die blecherne Krähstimme seiner Frau schien aber noch an sein Ohr zu dringen. Er nickte zustimmend: »Jau, jau .«
    Als hätte ihr diese Zustimmung neue Kraft verliehen, legte sie frisch wieder los: Aus Kindern, deren Eltern Verbrecher oder Säufer oder Taugenichtse waren, die sich gar »inner Anstalt« aufhielten, konnte im Leben nichts werden. Sie belegte es an Dutzenden von Beispielen, die in eine ferne Vergangenheit zurückreichten, von Onkeln, Tanten, Vettern dritten Gliedes, angeheirateten Basen und den entfernten Verwandten längst verstorbener Schwägerinnen übermittelt. Ihr Redestrom schien unversiegbar und unbesiegbar ihre Abneigung gegen die Kinder von der »Filla«. Sie war eine Frau, die es ihr Leben lang mit der Reputation gehalten hatte und nun das Heim als eine Art Besserungsanstalt ansah, von der man sich als anständiger Mensch tunlichst fernhielt.
    Don Chaussee jedenfalls konnte sich diesem Eindruck nicht entziehen. Er saß ihr gegenüber auf der Bank und betrachtete nachdenklich ihr rundes, verschwommenes Gesicht mit den wäßrigen grauen Augen, dessen tausend Runzeln und Fältchen darauf hindeuteten, daß sie gern lachte und daß ihr dabei die Augen überliefen. Er war wegen des Mistes gekommen, den ihr Sohn ihm ja versprochen hatte, und er war gegen zwei Uhr erschienen, um notfalls nach einem Höflichkeitsbesuch wieder gehen zu können, andererseits aber auch reichlich Zeit zu einem Schwatz zu haben, falls es sich gerade so ergeben sollte. Es war sein erster Besuch in der Nachbarschaft. Der Müntesche Hof lag dreihundert Meter von der »Filla« entfernt. Aus dem Fenster sah man auf den aufgeräumten, von einer gestutzten Hecke umschlossenen Garten; dahinter lagen, zwischen Wiesen und Feldern weit verstreut, einzelne andere Gehöfte. Die dämmerige Vorküche, in der sie saßen, hatte eine niedrige Balkendecke. Im mächtigen Rauchfang hingen Speck, Würste und Schinken; auf dem Bord rundum standen Kupfergeschirr und Delfter Teller; die rot und grün gestickte Borte um den Wasen trug den Wahlspruch aller guten Frauen: »Eigener Herd ist Goldes wert!« Dieser Herd stand da, wo sich ehemals die offene Feuerstelle befunden hatte. Er war ein Ungetüm auf zwei rachitischen, jedoch zierlich geschnörkelten Messingbeinen, verziert mit Kacheln in blauem Zwiebelmuster, und diente nur mehr der Beheizung des Raumes und der Betätigung weiblicher Putzwut. Allsamstäglich kroch Mutter Münte persönlich einige Stunden um ihn herum und putzte hingegeben alles, was an ihm zu putzen war, und das war, dank dem Einfallsreichtum seiner Erfinder, gottlob nicht wenig. Jetzt summte ein einsamer Wasserkessel auf der spiegelnden Platte. Gleich nebenan führte eine schmale Tür in die eigentliche Kochküche, daneben wiederum hing ein Pfandtuchhalter ohne Handtücher, aber mit einem prächtig gestickten Übertuch, auf welchem »drei Burschen wohl über den Rhein« zogen. Auf allen Seiten standen weitere Türen halb oder ganz offen: zum plüschenen »besten« Zimmer mit bunten Wollblumen in hohen Kristallvasen, Häkeldeckchen, Hirtenknaben aus Alabaster und Kevelaerer Fähnchen von der letzten Wallfahrt vor der Madonna unter dem Glassturz; zum Gang, der an der Milchkammer vorbei auf die Tenne führte; nach draußen zum Garten; in den Vorratskeller hinab und in das leere Gästezimmer mit den ewig geschlossenen Jalousien, in dem es auch im Sommer kalt und ein bißchen muffig roch und das sich gut zum Aufbewahren von Saathafer eignete, weil außer zu Hochzeiten und Beerdigungen ja doch kaum Gäste kamen. Ganz links führte eine steile Stiege nach oben, zu den Schlafkammern.
    Trotz dieser Vieltürigkeit wirkte die Diele nicht ungemütlich. Vater Münte saß massig in seinem Ohrensessel, das Mundstück der Pfeife zwischen schmatzend breiten Lippen, gestickte

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