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13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Bruns
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das war nichts mehr für ihn. Vermutlich war das Büro jetzt, wo er älter wurde, nicht mehr so schlecht. Er nahm sich fest vor, mit Herrn Ess zu reden.
    Aufblickend sah er die Rücken der über die Spaten gebeugten Jungen. Leos viereckiger Rücken mit dem kurzen Nacken war plump und sperrig, jeder Spatenstich ging wie ein widerwilliger Ruck durch ihn. Andreas’ schmaler, überlanger Rücken bewegte sich unverkrampft, hingebungsvoll, ja beinahe zärtlich. Als er ihn so sah, wußte er, daß das Grab nicht wegen der Esel geschmückt worden war. Andreas war im Herzen ein Gärtner, er wußte es nur noch nicht. Man muß ihm Gelegenheit geben, es zu merken, dachte er. Man kann so einen Garten wohl in einem Nachmittag hastig umgraben, aber dabei merkt man dann nichts. Arbeit muß einem Zuwachsen, entgegenwachsen, sonst wird man sie trotz tausendfacher harter Mühe nie bewältigen — innerlich bewältigen. War nicht sein eigenes Elend nur daraus entstanden? Martha begriff das nicht. »Es funktionierte so gut«, hatte sie gesagt. Sein Herz krampfte sich zusammen; »funktionierte« Malwinchen? Oder die ernsten kleinen Kletten, die sich jetzt, wie richtige kleine Kletten, an ihn klammerten? Oder Hubert, der das Bild einer kranken Mutter aufbewahrte, die er nie gekannt hatte? Martha glaubte, Essen und Trinken und Arbeiten genüge zum Leben, und das gab sie ihnen. Er wußte, daß mehr dazu gehörte, zum wirklichen Leben, zum Lebendigsein, wenngleich er nicht wußte, wer ihnen dieses Mehr geben konnte. Martha sicher nicht; und er?
    Unbehaglich kratzte er sich den Rücken. Gerade noch hatte er ein friedliches Alter vor sich gesehen und sich im Geiste schon mit dem Büro abgefunden, und nun schwand diese Aussicht dahin, ohne daß er wußte, wofür er sie dahingab. Er taugte so wenig zum Weltverbesserer! Ob man das durfte — für ein Phantom seinen eigenen Frieden hingeben und den des Menschen, den man liebte?
    Er grub. Viermal hatten sie schon jeder eine neue Reihe begonnen, da endlich entschloß er sich: Man mußte es wagen. Zu oft hatte er im Leben das Bequemere gewählt, und immer war es eine Flucht geworden, vor dem Leben und vor sich selbst. Er wollte nicht mehr fliehen, es tat nicht gut, und es führte einen immer im Kreis herum und machte sinnlos müde. Martha hatte das noch nicht erfahren, und vielleicht wußte sie deshalb noch nicht, was not tat. Sie würde es merken; man mußte nur Geduld haben.
    Als hätte der Spaten die Last gespürt, die auf ihm gelegen hatte und nun abfiel, glitt er jetzt leichter in die Erde, lag er griffiger in der Hand. Don Chaussee sagte: »Bißchen flotter, junger Mann« und: »Anschluß nicht verpassen«, und seine Stimme klang heiter. Leo schüttelte grunzend den Schädel. Was’n plötzlich in den gefahren, dachte er, da gibt’s doch nichts zu lachen bei so ‘nem Schuften! Aber Denken und Arbeiten zusammen war zuviel für ihn, und da er, im steten Zwang der Klammer vor und hinter sich, arbeiten mußte, ließ er das Denken sein.
    Die Sonne ging herbstlich langsam unter, mehr gelb als rot; ihr Widerschein lag golden auf dem schleierdünnen Bodennebel. Mit einem Schlag setzten alle Geräusche von Wald und Heide aus. In warmer Stille verlosch allmählich der Tag; der Nebel wurde weißer, flockiger, füllte die Furchen bis dicht an den Spaten aus. Die Asche des Kartoffelfeuers schwelte noch, und der Duft zog leise brandig mit dem Nebel über das Feld.
    »Genug für heute — morgen ist auch noch ein Tag .« Don Chaussee klopfte den Spaten ab und drückte ihn Leo in die Hand, der ächzend seinen Rücken dehnte. Immerhin anständig, dachte er zufrieden, bei der Alten hätten wir noch ‘ne Stunde weitermachen müssen. Mit einem jähen Satz sprang er in die Asche, daß der Funkenrest aufsprühte, und lief im Schweinsgalopp mit den Geräten zum Schuppen hin, Andreas und Ferdi hinter sich.
    Don Chaussee zündete sich die Pfeife an, schüttelte die Gelenke locker und schlenderte zur Eselswiese hinüber. Er konnte sich nicht erinnern, jemals Luft gerochen zu haben, die so sehr nach Heimat roch. Ein tiefes, unbekanntes Glück erfüllte ihn bei dem Gedanken, daß er sie — vielleicht — von nun an immer riechen würde.

8. Kapitel

    »Nee, nee, das is nich so einfach, wie Sie das sagen! Der Scholtens Jan, der soff auch, un die Familli hat gesoffen, daß es ‘ne Schande war — sein Vader un dem sein Vader, un die Weiber auch. Das sitzt drin. Da hat auch der Pastor nie was gegen machen können, un der

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