13 alte Esel
lang glücklich. Dann sah er noch einmal nach, ob die Sägestelle wirklich frisch war. Sie war frisch, keinen Tag alt. Wer war das gewesen?
Hubert hatte zu Bett gelegen. Für Leo war die Sägerei zu hackelig; er war dumm und grob, aber wenn er ein Handwerksgerät anfaßte, lieferte er akkurate Arbeit; er konnte gar nicht anders. Andreas dann? Er schob den Gedanken unwillig fort, ohne ihn erst zu erwägen. Franziska segelte allzu offenkundig nicht nur in Wolken von Veilchenduft, sondern auch von Seligkeit zwischen den Gästen herum; die konnte man wohl ebenso streichen. Blieb Änne. Ihr war es zuzutrauen. Er mußte sie im Auge behalten und herausbekommen, weshalb sie es getan hatte. Merkwürdigerweise kam ihm diesmal nicht der Gedanke, daß er — indirekt und durch die Esel — den Zwischenfall verschuldet habe. Wer so etwas tat, ließ sich nicht durch noch so straffe Zügelführung davon abhalten.
Oben erwartete ihn Herr Ess bereits ungeduldig. »Ich denke, wir starten jetzt die Hauptfeierlichkeiten«, sagte er. »Die Stimmung ist gut, nur die Kinder sind verschwunden, was ist bloß mit ihnen los? Ich dachte, so ein Fest würde sie endlich einmal auftauen. Selbst Ferdi hat nichts zu verkaufen und drückt sich irgendwo in den Ecken herum. Daß Gerda sich mit den anderen nicht versteht, ist mir ja klar. Eben das mit dem Kuchen war wohl eine alte Rechnung, wie ?« Ein schneller Blick aus den fuchsschlauen Augen des alten Herrn begleitete die Frage, deren Beantwortung er nicht abwartete. Ungestüm sprach er weiter. »Ich habe noch was Selterswasser in die Bowle gegossen — kriegen Sie also keinen Schrecken. Wir trinken dann später was Besseres; jetzt kommt es mir darauf an, daß auch die Kinder ein bißchen vergnügt werden. Sie müssen mir helfen, daß jetzt was dafür geschieht! Gehen wir erst mal zu den Eseln. Was meinen Sie, wie es hier früher rundgegangen ist! Fackelzüge durch den Park, bis zu Müntes ‘rüber, und die Kinder außer Rand und Band vor Spaß. So muß das sein. Ärger hat man im Geschäft genug .«
Frau Martha hielt sich stumm im Hintergrund. Sie hatte sich von ihrem Schrecken nur knapp erholt und wartete unbewußt auf neue Ungeheuerlichkeiten. Der Tag entglitt ihr, ohne daß sie herausbekam, wieso. Es war alles so entsetzlich anders, als sie es geplant hatte.
»Bei Taufen muß der Pastor vor«, ordnete Herr Ess inzwischen munter an, »und der Stammtisch steht Pate. Und die Damen? >Es schenken die Holden den köstlichen Wein< — nehmen Sie die Bowle unter Ihre Fittiche — Sie die Gläser — und Sie, verehrte Gastgeberin, tragen die Schöpfkelle. Avanti, Herrschaften, los! Ein Jammer, daß wir keine Kapelle haben.«
»Schlacht die Trompeten, ruft die Chreise herbei, laßt die Kinder und die Säuglinge zusammenkommen !« unterstützte ihn der Pastor.
Schwester Monika klatschte in die Hände, um die Kinder aus ihren Zimmern zu rufen, doch nur die Kletten purzelten herbei, und aus der Küche kam Franziska, Uwe auf dem Arm, der als einziger den Veilchenduft würdigte, indem er die Nase freudig in den Krüllenwulst tunkte. Kurz vor der Wiese kam Schwester Monika atemlos mit einem Packen Schilder hinterhergerannt.
»Die Namen. Ich habe oben Kordeln durchgezogen, daß man sie den Tieren um den Hals hängen kann .«
»Vortrefflich«, lobte Herr Ess, und der Pastor dröhnte begeistert: »Hosea sagt: Plühen soll sie wie eine Lielge und Wuchzeln schlagen wie die Zedern, ihre Schößlinge sollen sich entfalten, ihre Pracht soll werden wie die des Ölpaums !«
Herr Ess vertauschte die Fernbrille gegen die Nahbrille mit breitem Hornrand und studierte die Schilder. »Nahum, Micha, Joel, Habakuk — na, Schwesterchen, wie soll der Ihre denn heißen ?« Schwester Monika, solcherart Mittelpunkt der Fröhlichkeit, war verdutzt; halb errötend, halb schnippisch sagte sie: »Waldemar«, worauf sie ins Haus zurücklief und Herr Müller den Schluckauf bekam.
»Und Sie, Herr Pastor?«
Pfarrer Winkelmann hob in pathetischer Abwehr die Hand mit der langen Pfeife: »Oh, ich pin kein Prophet, sontern ein Hirt pin ich und...«
»...züchte Maulpeerfeigen !« vollendete Dr. Kösters das oft gehörte Lieblingszitat seines Freundes.
»Ha, Sie hapen’s nötig! Wie sagt schon Jeremias so richtig von Ihnen: Es ist umsonst, daß du viel arzneist !«
Der Nachmittag war heiß wie im August, doch die trocknenden Büsche und Bäume verströmten einen fast wilden Herbstgeruch. Die Sonne brannte. Der Himmel war hoch und
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