13 alte Esel
gestürzt war.
Und Malwine hatte sich im Traum zu ihr umgedreht. Die vom Weinen verquollenen Augen in dem durchsichtigen Gesichtchen mit der immer so straff gespannten Haut waren langsam über sie hingeglitten, von unten herauf, ganz, ganz langsam, suchend, fragend. Die auseinanderstehenden Augen mit dem blicklosen, ratlos huschenden Blick, den man nie faßte, waren höher geglitten, bis — bis der Blick sie einmal doch traf, voll, und sie stöhnend erwachte. Malwine. Sie hatte das ja alles nicht geahnt. Wenn sie es nicht für taktvoller gehalten hätte, würde sie doch mit den anderen Kindern längst darüber gesprochen haben, und dann wäre das gestern mittag nicht passiert. Aber sie hatte es doch nicht gewollt, wahrhaftig nicht! Malwine mußte das doch spüren. Weshalb dann solch ein Blick? So voll eines Vorwurfes, unter dem man sich wand?
Sie stand gepeinigt auf und kleidete sich an. Während vor dem offenen Fenster im Osten der Himmel zu einem neuen Tag hell zu werden begann, schüttelte sie sich, atmete die kühle Morgenluft ein und versuchte, auch alle nächtlichen Gedanken abzuschütteln. Es war ein Traum gewesen, der vor dem Tag verging. Sie hatte stets getan, was sie konnte. Es waren die Esel; die Esel waren schuld, diese gräßlichen, nutzlosen alten Esel.
Nur — weshalb hatte Malwine sie dann so angesehen?
11. Kapitel
»Aha«, sagte Förster Kösters, »sie sehen aus wie die Rosse, und wie Rennpferde stürmen sie vorwärts !«
»Lassen Sie diese unpassenden Scherze«, erwiderte Don Chaussee streng. »So was ist für sonntags schön und gut, aber heute ist Montag, und wir sind außerdem dienstlich hier. Dieses vorzügliche Tier heißt Otto, hat nie den Ehrgeiz gehabt, ein Rennpferd zu sein, kann dafür jedoch ungeheure Mengen Holz ziehen .«
»Ahnte ich’s nicht? Kaum hat man mal einen heiteren Tag hinter sich und schöpft ein bißchen Luft, schon kommt so ein lieber Mitmensch und macht einem das Leben wieder sauer. In Gottes Namen also, Sie Quälgeist! Sonst werde ich Sie ja nie mehr los .« Er pfiff: »Meier !«
Auf der anderen Seite des Hofes hockten Ferdi und Hubert, der einen Arm in der Schlinge trug und noch schulfrei hatte, am Boden. Vor ihnen lag ein langer, fetter brauner Rauhhaardackel auf dem Rücken, alle viere angezogen, und ließ sich mit verdrehten Augen Huberts Bauchkraulen gefallen. Sowie aber der Pfiff ertönte, rollte er sich fix herum und entwetzte mit flappenden Ohren, ohne seine beiden Wohltäter auch nur eines Blickes mehr zu würdigen. Etwas weniger wendig folgten sie ihm, der bereits schwanzwedelnd neben seinem Herrn stand. Von Otto an der Karre nahm Meier keine Notiz. Er interessierte sich nur für Jagen und Schlafen. Für die Bewachung der einsam im Wald gelegenen Försterei war Nero zuständig, ein grimmig dreinblickendes Muskelpaket von Boxer.
Auf dem Weg zum Holzplatz erzählte Förster Kösters von dem Schneid und der Jagdleidenschaft, mit der ein Dackel einen Fuchs angreift. Als er sah, wie Huberts Augen an seinen Lippen hingen, schilderte er ausführlich, wie auf der Fuchsjagd die Jäger den Bau umstellen, wie der Dackel von der Leine losgemacht wird und einschlieft, wie er drinnen das Labyrinth von Gängen absucht und man draußen nur sein gedämpftes Bellen hört, das er ununterbrochen ertönen läßt, wie er schließlich den Fuchs findet und ihn nach draußen zu drücken versucht, dahin, wo die Jäger lautlos und schußbereit stehen. »Und wenn ihm das nicht gelingt, sondern der Fuchs sich in eine tote Röhre zurückzieht und sich verteidigt, dann nimmt er ihn an und kämpft, wenn er ein unverpäppelter, rauher Bursche ist. Hört man sein Bellen, bis er wieder oben ist, dann hat er den Fuchs erledigt; hört man nach einiger Zeit nichts mehr — tja, dann muß man sich einen neuen Dackel kaufen.«
»Brr, die armen Tiere«, sagte Ferdi, während Hubert sich die Lippen leckte. Seine flinken Augen waren jetzt mit neuem Ausdruck auf Meier gerichtet. Eines der Dackelohren hatte einen langen Riß, beim anderen war die ganze untere Hälfte zackig weggebissen, vom Hals über den Rücken lief eine breite Narbe, und vom Schwanz fehlte ein beträchtliches Stück. Der so lädierte wackere Kämpe selbst schlingerte unternehmungslustig dem nächsten Streit entgegen. Er hatte immer bis zuletzt gebellt!
»Kann man das mal sehen ?« fragte Hubert schließlich mit belegter Stimme. Fragen, bitten — das hatte er nie gelernt. Was er haben wollte, hatte er sich bisher
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