13 alte Esel
genommen, entweder offen und grob oder hintenherum und gerissen.
Der Förster hatte nicht so feine Ohren. Jungen waren Jungen. »Du kannst im Winter als Treiber mitgehen, wenn du willst«, sagte er. »Verabrede dich dann nur mit unserem Ernst. Ich schick’ ihn vorher ‘rüber. Der ist auch auf jeder Jagd draußen .« Über Huberts sommersprossiges Gesicht lief ein kurzes Leuchten.
Auf dem Holzplatz sortierten der Förster und Don Chaussee die Knüppel. Die Jungen luden sie auf die Karre, wobei sich Ferdi so ungeschickt anstellte, daß Hubert knurrte: »Laß die Pfoten davon !« und es selber machte. Ferdi sah bewundernd, wie er es mit einer Hand doppelt so gut machte wie er mit zweien. Er fand Hubert überhaupt toll.
Don Chaussee schlang um ein paar lange, leichte, ziemlich gerade Stämmchen eine Schlinge zum Hinterdreinziehen. Hubert nahm sie in die Hand und stellte auf dem Rückweg in seiner abrupten, halb knurrenden, halb ungestüm interessierten Art Fragen über die Dressur von Jagdhunden, von Hunden allgemein und schließlich von Pferden. »In einem von den Büchern stand, wenn man ganz genau wissen will, was so ‘n Tier im nächsten Moment vorhat, braucht man ihm bloß genau in die Augen zu sehen. Ist das wahr ?«
Don Chaussee glaubte einen lauernd-gespannten Unterton aus dieser Frage herauszuhören. »Hm, was für ‘n Tier?«
»Och«, Hubert beschäftigte sich mit den Stämmchen, sie aus der Wagenfurche zerrend, »och, so — so ‘n Pferd vielleicht .«
Don Chaussee warf ihm unter der breiten Krempe des Sombreros hervor einen prüfenden Blick zu. »Wenn man die Augen zu sehen kriegt und wenn man genau weiß, was man sehen will...«, er zögerte unschlüssig, innerlich erwägend, was der Junge mit der Frage wohl bezwecke und ob es gut sei, sie zu beantworten. Andererseits durfte er ihn nicht vor den Kopf stoßen, nachdem er begonnen hatte, sich schon bei ihm zu erkundigen, ob etwas stimmte oder nicht. So fuhr er mit Nachdruck fort: »Freilich, dann kann man schon eine Menge erkennen. Aber es gehört große Erfahrung dazu. Je schwieriger der Fall ist, um so größer muß die Erfahrung sein. Mit bloß In-die-Augen-Sehen ist es nicht getan .«
Hubert sah ihn schräg von unten an, nickte, stapfte dann schweigend weiter, die Stirn gekraust und die Unterlippe im Grübeln zwischen den Zähnen.
Don Chaussee ließ Ferdi mit der Karre und Otto vorangehen und trottete in Gedanken versunken hinterher. Der Morgen war herbstlich diesig, warm und nach dem Regen von gestern nacht bunter als vorher, wiewohl zugleich gedämpfter und stiller. Zwischen dem braunen Eichenaufschlag hingen noch Nebelfetzen. Überall glitzerten die Fäden des Altweibersommers im Moos und auf dem Heidekraut. Es dachte sich gut im Wald, und es gab soviel zu denken. Hubert bereitete ihm leises Unbehagen. Seitdem er wieder auf den Beinen war, stand die Abrechnung mit dem Esel bevor. Obwohl seit dem vergangenen Montag, also eine ganze Woche lang, kein Wort darüber gefallen war, bezweifelte er nicht einen Augenblick, daß sie bevorstand. Hubert war nicht der Typ, der schnell vergaß; er würde sich rächen. Wie er da so ging, den strubbeligen roten Schopf gebeugt und die beiden nicht leichten Stämme offenbar mühelos hinter sich herschleifend, den Mund trotzig und zugleich spekulierend verzogen, konnte man sich gut vorstellen, daß seine Gedanken um einen Racheplan kreisten. Denn einen Plan hatte Hubert bestimmt. Er war bei weitem der intelligenteste der Jungen und der Typ, der sorgfältige, wohlüberlegte Pläne machte, wenn er sich nur genügend Zeit nahm. Als ihn der Esel damals gebissen hatte, war er am nächsten Tag in blinder Wut auf ihn losgegangen. Inzwischen hatte er acht Tage Zeit zum Überlegen gehabt. Don Chaussee hätte die Pläne gern gekannt, aber er wußte, daß es sinnlos war, danach zu fragen.
Er ertappte sich dabei, daß er grinste. Irgendwie schien ihm sicher, daß Huberts Pläne nicht grob waren, wie etwa die, die Leo sich ausdenken würde, falls er mal dachte, sondern daß sie mit einer List, mit einem Kniff verknüpft waren. Er selbst würde ähnlich handeln.
Hubert war ein merkwürdiger Bursche. Er war jähzornig und ausdauernd, seine Stimmungen vibrierten immerzu, schlugen von einem Extrem ins andere: Mal tobte er überschäumend, gab an wie zehn nackte Neger, mal schwieg er verstockt und sah einen lauernd von der Seite an, drehte einem brüsk den Rücken. Er lachte schnell und laut, begriff sofort, witterte alles
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