13 - Der Gott der Finsternis
weiterhelfe, dann ist das auch in Ordnung.«
»Nein. Bitte.« Dem benetzte seine trockenen Lippen und kletterte den Hang hinauf. Er wusste nicht, was Lucy vorhatte, aber schließlich war sie eine Frau. Es mochte kaum schaden, auf ihren Rat zu hören. Seine Erfolgsquote bei Mädchen konnte schlechter nicht werden.
Lucy ging neben ihm her und umklammerte dabei mit einer Hand seine Schulter.
»Es gibt nur ein Problem mit diesem Wochenende«, sagte Dem.
»Welches?« Lucy zog ihre Hand zurück und winkte einem Mann in der Nähe der Felsen über ihnen zu. Der Mann nickte und verschwand mit zwei anderen Leuten auf dem östlichen Abhang.
»Hat Giles Ihnen das nicht erzählt?«, fragte Dem verwundert.
»Mir was erzählt?«
»Dass er daran denkt, den Ausflug abzusagen.« Empfänglich für die subtilsten Stimmungsschwankungen anderer Menschen, zweifelhafter Lohn dafür, stets von außen zuschauen zu müssen, erschrak
Dem, als Lucy sich verspannte.
»Warum?« Unterdrückter Zorn schwang in ihrer Stimme mit.
»Wegen der Katze, und.«
»Was für ein Idiot!« Wütend ergriff Lucy Dems Hand und beschleunigte ihren Schritt. »Schätze, ich werde Mr. Giles einen Besuch abstatten und ihm Verstand einbläuen müssen.«
Angesichts ihrer heftigen Reaktion beschloss Dem, nichts von der bizarren Theorie des Bibliothekars über den Jaguarmythos der Azteken zu erzählen.
Das Einzige, was ihn wirklich interessierte, war die Tatsache, dass die Archäologin offensichtlich nicht mit ihm unter einer Decke steckte. Er stolperte über ein Grasbüschel und hätte beinahe Lucy von den Beinen gerissen, als er stehen blieb und sich nach seiner heruntergefallenen Brille bückte. »Tut mir Leid.«
Sie schüttelte nur den Kopf und stieg weiter den Hügel hinauf. Als sie die großen Felsbrocken vor dem steinernen Turm erreicht hatten, deutete sie auf einen Felssims. »Setz dich.«
»Sicher, gern.« Dem schluckte nervös, setzte sich und beugte sich vor, während Lucy sich einen Weg zu dem hohen Felsen bahnte. Obwohl er viel größer und geprägt von unregelmäßigen Kanten war, die Jahrtausende der Erosion hinterlassen hatten, vermittelte ihm der hoch aufragende Stein das gleiche unheimliche Gefühl, das er auch mit Stonehenge verband. Er schien eine widernatürliche, mystische Kraft auszustrahlen. Dem beschloss, das beunruhigende Gefühl als schlichte Einbildung abzutun, genährt durch die Angriffe der Mörderkatze und das unheimliche Gerede über alte Legenden.
Als Lucy einen Augenblick später zurückkehrte, presste sie einen runden, goldschimmernden Gegenstand an ihre Brust. Ruhig und still stand sie vor ihm, und ihre braunen Augen bohrten sich direkt in das Zentrum seiner gequälten Seele.
Dem zuckte zusammen, als sie seine Brille abnahm.
»Du bist ein hübscher Junge, weißt du das?«
Nein, das wusste er nicht. Angesichts der Absichten, die mit einer solchen Aussage verbunden sein konnten, jagte ihm sogleich ein erregender Schauder über den Rücken. Er hätte sicher nichts dagegen, sich von einer älteren Frau verführen zu lassen, aber sein Mangel an Erfahrung würde diese Initiation zur schlimmsten Demütigung seines unbedeutenden Lebens machen.
»Warum trägst du keine Kontaktlinsen?«
»Äh.« Dem senkte den Blick, als sie sacht seine Wange berührte. »Ich habe welche, aber. ich, äh. ich hätte nie, wissen Sie, nie gedacht.« Er war so aufgeregt, er merkte nicht einmal, dass sie zurückgewichen war. »Ich hätte nie gedacht, dass das irgendwas ausmacht.«
»Aber du irrst dich. Schau.«
Dem erblickte sein eigenes Abbild, das sich, umgeben von Rauchschwaden, in schwarzem Glas spiegelte. Ohne seine Brille hätte er das Ganze nur verschwommen wahrnehmen dürfen, doch er war so überrascht über die subtile Veränderung in seiner Erscheinung, dass er nicht darüber nachdachte, warum er sein Antlitz nun klar und deutlich erkennen konnte. Während er den Spiegel fixierte, veränderte sich das Bild. Die Unsicherheit in seinen sanften braunen Augen wich einem harten Funkeln tiefen Selbstvertrauens. Er reckte sein Kinn vor, und plötzlich strahlte er Verwegenheit anstelle von Schüchternheit, Stärke anstelle von Schwäche aus.
»So siehst du wirklich aus, so bist du wirklich. Stark, selbstsicher, imponierend. Dieser Dem kann alles haben, was er wünscht. Er kann jedes Mädchen haben, das er will.«
Dem konnte den Blick nicht abwenden, als sein Bild ein wenig in den Hintergrund trat.
Blau-grauer Nebel trieb über einen
Weitere Kostenlose Bücher