13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
den Berwari ins Handgemenge kommen, ehe man mich gehört hat, so ist alles verloren. Gehe mit ihnen über den Fluß zurück, so habe ich mehr Hoffnung auf Erfolg.“
„Aber wir geben uns da in ihre Hände!“
„Nein, ihr entkommt ihnen und gewinnt Zeit. Wie wollen sie euch angreifen, wenn ihr die Brücke besetzt?“
„Du hast recht, Herr, und ich werde sofort das Zeichen geben.“
Während ich vom Pferde sprang und Halefs Tier bestieg, setzte der Melek eine Muschel an den Mund, die an seiner Seite gehangen hatte. Der dumpfe, aber kräftige Ton war weithin vernehmbar. Die Chaldani kamen von allen Seiten zurückgeeilt, denn diese Richtung behagte ihnen weit mehr als diejenige eines gefährlichen Angriffs auf die tapferen und wohlbewaffneten Kurden. Ich hingegen ritt vorwärts, nachdem ich Halef einige Verhaltensmaßregeln erteilt hatte, und befand mich bald ganz allein, da auch Dojan zurückgeblieben war.
SIEBENTES KAPITEL
Der Geist der Höhle
Meine Aufgabe schien mir gar nicht schwierig zu sein. Von den Kurden hatte ich wohl nichts zu fürchten, und da sie Rücksicht auf das gefährdete Leben ihres Beys zu nehmen hatten, so ließ sich erwarten, daß ein Vergleich zustande kommen werde.
So ritt ich langsam und horchte auf jedes Geräusch. Ich gelangte auf den Rücken einer niedrigen Bodenwelle, wo Wald und Busch weniger dicht standen, und erblickte von hier aus einen Krähenschwarm, der weiter unten über dem Wald schwebte, sich zuweilen auf die Zweige niederlassen wollte, aber immer wieder aufflog. Es war gewiß, daß diese Vögel aufgestört wurden, und ich wußte nun, wohin ich mich zu wenden hatte. Ich ritt den kleinen Hügel hinab, war aber noch gar nicht weit gekommen, als ein Schuß fiel, dessen Kugel jedenfalls mir gelten sollte; sie traf aber nicht. Im Nu schnellte ich mich vom Pferde und stellte mich hinter dasselbe. Ich hatte den Blitz des Pulvers gesehen und wußte also, wo der ungeschickte Schütze stand.
„Kur'o (Knabe), tu dein Kirbit (Zündholz) zur Seite!“ rief ich. „Du triffst ja eher dich als mich!“
„Fliehe, sonst bist du des Todes!“ klang es mir entgegen.
„Ehz be vïa kenïam – darüber muß ich lachen! Welcher Mann schießt seinen Freund tot?“
„Du bist nicht unser Freund; du bist ein Nasarah!“
„Das wird sich finden. Du gehörst zu den Vorposten der Kurden?“
„Wer sagt dir das?“
„Ich weiß es; führe mich zu deinem Anführer!“
„Was willst du dort?“
„Mein Gastfreund, der Bey von Gumri, sendet mich zu ihm.“
„Wo ist der Bey?“
„In Lizan gefangen.“
Während dieser Verhandlungen merkte ich recht wohl, daß noch mehrere Gestalten herbeikamen, die aber hinter den Bäumen verborgen bleiben wollten. Der Kurde fragte weiter:
„Du nennst dich den Gastfreund des Bey. Wer aber bist du?“
„Ein Emir gibt nur einem Emir Auskunft. Führe mich zu deinem Anführer, oder bringe ihn her zu mir. Ich habe als Bote des Beys mit ihm zu reden.“
„Herr, gehörst du zu den fremden Emirs, die auch gefangen worden sind?“
„So ist es.“
„Und du bist wirklich kein Verräter, Herr?“
„Katischt, baqua – was, du Frosch!“ rief da laut eine andere Stimme. „Siehst du denn nicht, daß es der Emir ist, welcher ohne Aufhören schießen kann? Geh zur Seite, du Wurm, und laß mich hin zu ihm!“
Zugleich kam ein junger Kurde hinter einem Baum hervor, trat mit größter Ehrerbietung zu mir heran und sagte:
„Allahm d'allah – Gott sein Dank, daß ich dich wiedersehe, Herr! Wir haben große Sorge um euch gehabt.“
Ich erkannte sogleich in ihm einen der Männer, welche gestern dem Melek glücklich entkommen waren, und antwortete:
„Man hat uns wieder ergriffen, aber wir befinden uns wohl. Wer ist euer Anführer?“
„Der Raïs von Dalascha, und bei ihm ist der tapfere Emir der Haddedihn vom Stamme der Schammar.“
Das war mir lieb, zu hören; also hatte Mohammed Emin doch, wie ich vermutet hatte, den Weg nach Gumri gefunden und kam nun, uns zu befreien.
„Ich kenne den Raïs von Dalascha nicht“, sagte ich. „Führe mich zu ihm!“
„Herr, er ist ein großer Krieger. Er kam gestern am Abend, um den Bey zu besuchen, und da er hörte, daß dieser gefangen sei, so schwur er, Lizan der Erde gleichzumachen und alle seine Bewohner in die Hölle zu senden. Jetzt ist er unterwegs, und wir gehen voran, damit er nicht überrumpelt wird. Aber Herr, wo hast du dein Pferd? Hat man es dir geraubt?“
„Nein, ich ließ es freiwillig zurück.
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