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13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

Titel: 13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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es!“
    „O Herr, hattest du seine Stimme gehört?“
    „Ja. Er hat sehr lange mit mir gesprochen.“
    „Das ist noch niemals geschehen; du mußt ein sehr großer Emir sein!“
    „Ein Geist beurteilt den Menschen nicht nach seinem Stand.“
    „Hast du ihn vielleicht gar auch gesehen?“
    „Von Angesicht zu Angesicht.“
    „Herr, du erschreckst mich! Wie sah er aus?“
    „Solche Dinge darf man nicht enthüllen. Komm, du sollst mich führen; ich muß schnell nach Lizan hinab.“
    „Was wird aus Madana, die auf dich wartet?“
    „Du bringst mich zuerst auf den rechten Weg, und dann kehrst du zu ihr zurück, um ihr zu sagen, daß sie nicht mehr auf mich warten soll. Ich werde morgen nach Schohrd kommen.“
    „Was aber soll sie meinem Vater sagen, wenn er dich von ihr verlangt?“
    „Sie soll sagen, daß er sogleich zum Geist der Höhle kommen soll. Auch wenn du deinen Vater triffst, sendest du ihn sofort hinauf zur Höhle. Er muß kommen, er mag vorhaben, was er will. Wenn er nicht auf der Stelle gehorcht, so ist es um ihn geschehen!“
    „Herr, mir wird bange. Komm, laß uns gehen!“
    Ich nahm den Hund wieder bei der Leine und das Mädchen bei der Hand. So stiegen wir bergab, wobei es natürlich schneller ging als vorher bergan. Als wir die Einsattelung erreichten, wandten wir uns nun nach rechts hinab anstatt nach links hinüber, und das Mädchen kannte das Terrain so genau und führte mich so sicher, daß wir bereits nach einer starken Viertelstunde den Weg erreichten, der Lizan mit Schohrd verbindet. Hier blieb ich stehen und sagte:
    „Nun nehme ich den Pfad; wir müssen uns trennen. Als ich heut hier herabgeschleppt wurde, habe ich mir den Weg genau angesehen. Ich danke dir, Ingdscha. Morgen sehen wir uns wieder. Gute Nacht!“
    „Gute Nacht!“
    Sie hatte meine Hand ergriffen und einen kaum fühlbaren Kuß darauf gehaucht; dann eilte sie wie ein verscheuchtes Reh in das Dunkel der Nacht hinein. Ich stand eine volle Minute lang bewegungslos, dann schlug ich den Weg nach Lizan ein, während meine Gedanken sich – rückwärts nach Schohrd bewegten.
    Ich mochte vielleicht die Hälfte der Strecke zurückgelegt haben, als ich den Hufschlag eines Pferdes vor mir erschallen hörte. Ich trat zur Seite hinter einen Busch, um nicht gesehen zu werden. Der Reiter kam eilig näher und an mir vorüber – es war der Raïs. Schon war er vorüber, da rief ich ihn an:
    „Nedschir-Bey!“
    Er hielt sein Pferd an.
    Ich machte Dojan von der Leine frei, um ihn in seinen Bewegungen nicht zu hindern, falls mir sein Beistand nötig würde, und trat dann zu dem Raïs.
    „Wer bist du?“ fragte er.
    „Dein Gefangener“, antwortete ich, sein Pferd beim Maule fassend.
    Er beugte sich vor und sah mir in das Gesicht. Dann griff er nach mir; ich aber war schneller und packte seine Faust.
    „Nedschir-Bey, höre in Ruhe, was ich dir zu sagen habe. Der Ruh 'i kulyan sendet mich: du sollst sofort zur Höhle kommen.“
    „Lügner! Wer hat dich befreit?“
    „Wirst du dem Ruf des Geistes folgen oder nicht?“
    „Hund, ich töte dich!“
    Er langte mit seiner freien Hand nach dem Gürtel, zu gleicher Zeit aber gab ich ihm aus allen Kräften einen plötzlichen Ruck; er wurde bügellos und flog in einem weiten Bogen vom Pferd herab.
    „Dojan faß!“
    Der Hund warf sich auf ihn, während ich mir Mühe geben mußte, das Pferd zu beruhigen. Als mir dies gelungen war, sah ich den Raïs bewegungslos am Boden liegen; Dojan stand über ihm und hatte zwischen seinem aufgesperrten Gebiß den Hals des Mannes.
    „Nedschir-Bey, die kleinste Bewegung oder das leiseste Wort kostet dir das Leben; dieser Hund ist schlimmer als ein Panther. Ich werde dich binden und dich mit nach Lizan nehmen; rührst du ein Glied falsch, oder sagst du ein lautes Wort gegen meinen Willen, so lasse ich dich zerreißen.“
    Er sah den grimmigen Tod vor Augen und wagte nicht den geringsten Widerstand. Zunächst nahm ich ihm seine Waffen ab: – Flinte und Messer. Dann fesselte ich ihn mit der starken Hundeleine grad in der Weise, wie man mich gefesselt hatte, und endlich stieß ich ihn empor und band ihn an den Steigbügel, grad so, wie man es mir gemacht hatte.
    „Erlaube, Nedschir-Bey, daß ich aufsteige; du bist heut lang genug zu Pferde gesessen. Vorwärts!“
    Er folgte ohne Widerstand, denn er mußte einsehen, daß derselbe vollständig nutzlos wäre. Es fiel mir nicht ein, meine jetzige vorteilhafte Lage zu benutzen, um den Mann zu verhöhnen, und so

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