13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
haben würde als Gefangener, versteht sich ganz von selbst; das gebietet euch ja euer eigenes Interesse. Nach Mossul werde ich nicht geschickt, denn das kann dem Makredsch nichts nützen; er will bloß, daß ich mich loskaufe, denn er braucht Geld, um über die Grenze zu kommen.“
„Über die Grenze?“ fragte der Mutesselim. „Wie soll ich deine Worte verstehen?“
„Frage ihn selbst!“
Er blickte den Makredsch an, der sich plötzlich verfärbte.
„Was meint er?“ fragte er ihn.
„Ich verstehe ihn nicht!“ antwortete der Beamte.
„Er versteht mich nur zu gut“, entgegnete ich. „Mutesselim, du hast mich beleidigt; du willst mich gefangen nehmen; du hast mir einen Antrag gemacht, der sehr schwere Folgen für dich hätte, wenn ich davon sprechen wollte. Ihr beide habt mich bedroht; aber jetzt werde ich die Waffe selbst auch in die Hand nehmen, nachdem ich gesehen habe, wie weit ihr zu gehen wagt. Weißt du, wer dieser Mann ist?“
„Der Makredsch von Mossul.“
„Du irrst. Er ist es nicht mehr; er ist abgesetzt.“
„Abgesetzt!“ rief er.
„Mensch!“ rief dagegen der Makredsch. „Ich erwürge dich.“
„Abgesetzt!“ rief der Kommandant noch einmal, halb erschrocken und halb fragend.
„Ja. Selim Agha, ich sagte dir vorhin, daß ich dir heute einen Befehl geben werde, dem du Gehorsam leisten wirst. Jetzt sollst du ihn hören: Nimm den Mann dort gefangen und stecke ihn in das Loch, in welches ich kommen sollte! Er wird dann nach Mossul geschafft.“
Der gute Agha staunte erst mich an und dann die beiden andern; aber er rührte natürlich keinen Fuß, um meinen Worten nachzukommen.
„Er ist wahnsinnig“, meinte der Makredsch, indem er sich erhob.
„Du selbst muß es sein, da du es wagst, nach Amadijah zu kommen. Warum bist du nicht den geraden Weg, sondern über Mungayschi geritten? Du siehst, daß ich alles weiß. Hier, Mutesselim hast du den Beweis, daß ich das Recht habe, seine Gefangennahme zu verlangen!“
Ich übergab ihm dasjenige Schreiben, welches an Ali Bey gerichtet war. Er blickte zunächst nach der Unterschrift.
„Vom Anatoli Kasi Askeri?“
„Ja. Er ist in Mossul und verlangt die Auslieferung dieses Mannes. Lies!“
„Es ist wahr!“ staunte er. „Aber was tut der Mutessarif?“
„Er ist auch abgesetzt. Lies auch dieses andere Schreiben!“
Ich übergab es ihm, und er las es.
„Allah kerihm, Gott sei uns gnädig! Es gehen große Dinge vor!“
„Sie gehen allerdings vor. Der Mutessarif ist abgesetzt, der Makredsch ebenso. Willst auch du abgesetzt sein?“
„Herr, du bist ein geheimer Abgesandter des Anatoli Kasi Askeri oder gar des Padischah!“
„Wer ich bin, das kommt hier nicht in Betracht; aber du siehst, daß ich alles weiß, und ich erwarte, daß du deine Pflicht erfüllst.“
„Effendi, ich werde sie tun. Makredsch, ich kann nicht anders; hier steht es geschrieben; ich muß dich gefangen nehmen!“
„Tue es!“ antwortete dieser.
Ein Dolch blitzte in seiner Hand, und im Nu war er durch das Zimmer hinweg, auch an mir vorüber und zur Tür hinaus. Wir eilten nach und kamen grad recht, zu sehen, daß er draußen zu Boden gerissen wurde. Selek, der mich begleitet hatte, war es, der auf ihm kniete und ihm den Dolch zu entringen versuchte. Ein Entkommen war nun allerdings unmöglich. Er wurde entwaffnet und wieder in das Selamlük zurückgebracht.
„Wer ist dieser Mann?“ fragte der Kommandant, auf Selek deutend.
„Er ist der Bote, den mir Ali Bey von Baadri gesandt hat. Er kehrt wieder dorthin zurück, und du magst ihm erlauben, den Transport zu begleiten. Dann sind wir sicher, daß der Makredsch nicht entkommen wird. Aber ich werde dir noch einen Gefangenen übergeben.“
„Wen, Herr?“
„Laß nur den Arnauten kommen, der mich angeklagt hat!“
„Holt ihn!“ gebot er.
Einer der Leutnants ging und brachte den Mann, der eine Wendung der Dinge zu seinen Ungunsten nicht vermutete.
„Frage ihn einmal“, sagte ich, „wo er seine Waffen hat!“
„Wo hast du sie?“
„Sie wurden mir genommen.“
„Wo?“
„Im Schlaf.“
„Er lügt, Mutesselim! Dieser Mann war dem Hadschi Lindsay-Bey von dem Mutessarif mitgegeben worden; er hat auf mich geschossen und entfloh; dann unterwegs lauerte er uns auf und gab aus dem Dickicht des Waldes noch zwei Kugeln auf mich ab, die aber nicht trafen. Mein Hund hielt ihn fest, aber ich ließ Gnade walten, vergab ihm und ließ ihn entkommen. Wir nahmen ihm dabei die Waffen ab, welche mein
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