13 kleine Friesenmorde
Anzeigenteil der Zeitungen reihten sich zwischen fett gedruckten schwarzen Balken die Nachrufe.
In der Familienanzeige baten Mimke Cornelius, geborene Moorkamp, Eilbertus Cornelius und Alberta Cornelius, von Trauerbesuchen Abstand zu nehmen, und gaben zur Kenntnis, dass die Beisetzung im engsten Kreise der Familie durchgeführt werde.
Anstelle von Kranz- und Blumenspenden begrüßten sie entsprechende Überweisungen auf ein Konto bei der Stadtsparkasse Norden zugunsten der »Ostfriesischen Beschützenden Werkstatt«.
Nach dem plötzlichen Ableben ihres Mannes weinte Mimke Cornelius viel. Die Probleme häuften sich. Tochter und Sohn standen ihr bei, nahmen ihr eine Menge notwendiger Telefonate, anfallenden Schriftverkehr und Behördengänge ab.
Sie besuchten das Friedhofsamt, organisierten die Beerdigung, während die Mama im Leid zu ersticken drohte und nicht fähig war, notwendige Entscheidungen zu treffen.
Seit Jahren hatte sie sich nicht mehr um die Geschäfte ihres Mannes gekümmert. Kein Wunder, denn sie hatte all die Jahre aus dem Vollen schöpfen können. Sie hatte Alberta und Eilbertus verschwiegen, dass ihr Papa eine junge Mitarbeiterin, die sie nicht kannte, von der sie nicht einmal den Namen erfahren hatte, geschwängert und sie verlassen hatte.
Erst am Sonntagnachmittag beim Tee gab sie traurig und leidend von sich, was sie Alberta und Eilbertus bis hierher verschwiegen hatte. Doch nun war der Papa tot. Es fehlte nicht an Entrüstungen, doch angesichts der bevorstehenden Beerdigung war das von nebensächlicher Bedeutung. Dieser Seitensprung, so waren sich dieMama und die Kinder einig, durfte nicht an die Öffentlichkeit geraten.
In diesem Wirrwarr von Gefühlen erregte sie besonders die Tatsache, dass die Geliebte des hoch angesehenen Vaters und auch das Ungeborene Ansprüche auf das hinterlassene Erbe erheben konnten.
Da war guter Rat teuer, doch den erhielten sie von Onkel Jens, dem Bruder der Mama, den sie nicht nur um Rechtsbeistand baten, sondern ihn auch mit der Geschäftsführung der Steuerpraxis beauftragten, in die sich Eilbertus nach dem Examen einzuarbeiten gedachte.
Doch die vollzogene Trennung des ehrenwerten Reiters und Steuerberaters von seiner Frau Mimke, seine Liaison mit der schönen, gertenschlanken Katja Örding hatte in gewissen Kreisen schon lange für Gesprächsstoff gesorgt.
Auf Norderney turtelten Tamme und Katja hinter Mimkes Rücken im Apartment 113 des Hauses »Seeblick«. Sie waren Stammgäste des »Jever-Stübchens« und der gemischten Sauna. Selbst die Kellner und Serviererinnen der Frisia-Schiffe nahmen dem Pärchen nicht die vorgetäuschte Vater-Tochter-Beziehung ab.
Der Tod des hoch gewachsenen, schlanken, gut aussehenden, bekannten Steuerberaters und Maklers, der seine Maßanzüge in Oldenburg bei »Gino Zampolli« kaufte, bildete das Stadtgespräch.
Das hatte zur Folge, dass Ade Sielhoff, der am Freitagabend, wie gewohnt, und das seit vielen Jahren, die Sauna in Viktorbur gegen 19 Uhr aufsuchte, im Schwitzkasten zwischen ehemaligen Kollegen von VW denTratsch vernahm und so einiges über das ihm unbekannte Opfer in Erfahrung brachte.
Er hielt sich wohlweislich zurück, verschwieg den Saunafreunden, dass er das Pferd, das »Looga« hieß, aus einem Trauma zurückgeholt, aber dem Reiter nicht mehr hatte helfen können.
Der Name Tamme Cornelius geriet in die Nachbarschaft von Roberto Blanco und Franz Beckenbauer und wurde mit Spott und schadenfrohem Gelächter bedacht.
Im Ruheraum, nach vollzogenem kalten Duschbad und ein paar Schwimmzügen im überdachten Becken, ließ Ade Sielhoff das Geschehen an der Unfallstelle noch einmal vor seinem geistigen Auge Revue passieren.
Der Kopf des Reiters lag in einer Blutlache auf dem mit Schutt befestigten Waldboden. Der Arzt hatte die klaffende Stirnwunde mit Wattebäuschchen behandelt und mit Tupfern gereinigt.
Ade geriet in einen Halbschlaf, erhob sich danach, verließ den Ruheraum, suchte den Saunaraum auf und setzte seine Schwitzkur fort.
Doch an diesem Abend fuhr Ade Sielhoff ein wenig nachdenklich nach Hause.
Am Samstagmorgen, dem 11. Mai, verließen Greta und Ade Sielhoff nach dem Frühstück gegen 10 Uhr das Haus auf dem Rehweg in Berumbur. Der anfängliche Nieselregen ließ nach. Über der Küste lag eine feste Wolkendecke. Der Wind blies aus südwestlicher Richtung mit Stärke 4.
Ade und Greta stiegen auf ihre Räder, radelten überdie Halbemonder Straße nach Hage, am Lütetsburger Schloss
Weitere Kostenlose Bücher