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13 kleine Friesenmorde

13 kleine Friesenmorde

Titel: 13 kleine Friesenmorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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Reent Renken, weder sein Steuermann Eilrich Benninga noch der Matrose Warfmann und auch der Koch Feeken hatten die Katastrophe überlebt. Die Annahme, sie hätten das Schiff verlassen, das Rettungsboot bestiegen, die Ruderpinne bedient und Helgoland angesteuert, änderte nichts an der Tatsache, dass sie ertrunken waren. Dabei stand nicht fest, ob das in der Nähe von Scharhörn gesichtete Rettungsboot in der Tat von der »Euridike« stammte.
    Weder Hugo noch Jan Thomasens hielten es für nötig, abgesehen von einem Dankschreiben an den Kapitän, der Sache weiter auf den Grund zu gehen. Das Seeamt hatte sich des Unterganges ihres Schiffes angenommen und die Versicherungen ihre Zahlungsbereitschaft angekündigt. Die günstige Auftragslage nahmen sie zum Anlass, in Emden bei der »Cassenschen Werft« einen Neubau in Auftrag zu geben, der nicht nur die Länge, Tiefe und Breite, sondern auch das Fassungsvermögen der versunkenen »Euridike« bei weitem übertraf.
     
    In Unkenntnis der rätselhaften Ereignisse an Bord des Schoners »Euridike«, der unter der Führung des Kapitäns Reent Renken auf der Reise von Newcastle nach Bremen während eines tobendenden Orkans in den Fluten der Nordsee versunken war, was den wirklichen Ereignissen entsprach, erhob das Seeamt in Emden am 5. Mai schwere Vorwürfe gegen den Kapitän, der sich bis dato nie etwas hatte zu Schulden kommen lassen. Dabei standen seine Fähigkeiten, mit den ihm anvertrauten Schiffen und Besatzungen pflichtgemäß zu verfahren, außer Zweifel. Er hatte mehrmals das befürchtete Cap Horn umrundet, Schiffe und Besatzungen sicher in die Häfen geführt. Ihm wurden als Anteilseigner am verlorenen Schiff fehlende Fürsorgepflichten gegenüber seinen Mannschaftsangehörigen zur Last gelegt. Aus Kostengründen hatte er es unterlassen, für seine beiden ostfriesischen Mannschaftsangehörigen, die abheuerten, in Newcastle nach Ersatz Ausschau zu halten. Das Schiff war mit nur drei Besatzungsmitgliedern, dem Matrosen, dem Steuermann und dem Koch, der nur Hilfsdienste zu leisten imstande gewesen sein mochte, sträflich unterbesetzt gewesen. Auf diese Tatsache hatte der Lotse, Mr. Tom Keensay, den Kapitän aufmerksam gemacht, wie die Recherchen erbrachten.
    Der Schoner »Euridike« geriet unterbesetzt in den Sturm. Das Urteil der Sachverständigen lief darauf hinaus, wegen der Mitschuld am Untergang des Schiffes zulasten der Witwe und Ihren Kindern den gezeichneten Part der Reederei zuzusprechen. Das betraf den versicherungsrechtlichen Aspekt. Das war insoweit korrekt und nachvollziehbar, verfehlte allerdings den wirklichen Sachverhalt, weil Kapitän Reent Renken,was allen noch verborgen blieb, trotz des Seetodes des Matrosen Keno Warfmann, mit einem Steuermann und dem Koch die »Euridike« vor dem Untergang gerettet hatte, was erst später an das Licht des Tages kommen sollte. Viel später allerdings und das auch nur mehr rein zufällig, oder, wie die Witwe von Reent Renken, um Jahre gealtert, feststellte, »dank Gottes weiser Fügung«, was eine Rehabilitierung Ihres geliebten Mannes möglich machte.
     
    Am Abend des 14. Mai 1886 trafen sich die Mitglieder des Männergesangvereins »Germania« um 20 Uhr im kleinen Saal des »Preußischen Adlers« von Keitum. Das hatte Tradition. Die wöchentlichen Singabende dienten den gestandenen Herren der oberen Bürgerschicht einerseits zum Ausgleich ihrer professionellen und familiären Belastungen, andererseits galten sie auch, wie es in den Gründungsstatuten festgeschrieben war, ihre patriotische Gesinnung mit der Pflege alten Liedgutes zum Ausdruck zu bringen, in einer Zeit, die von politischen Unruhen und technischen Neuerungen geprägt war.
    Dem Liedervater, Apotheker Malte Jessen, und dem Chorleiter Eike Mauritz, Direktor des »Carolus Magnus-Gymnasiums«, verdankte der Verein sein hohes Ansehen in der Öffentlichkeit.
    Auch am heutigen Abend verlangte Mauritz den Sängern alles ab, galt es doch, bei der Einweihung des neuen Postamtes auf Westerland in Anwesenheit hoher Regierungsbeamter und angesehener Ehrengäste am Pfingstfest mit drei Beiträgen zum Gelingen beizutragen.
    Tradition hatte allerdings auch das nach den Chorproben gemütliche Beisammensein an den geschrubbten Tischen in der Schankstube, wenn die Herren das Bier aus den Krügen tranken, der Zigarrenrauch wie Herbstnebel durch das Lokal zu dem Luk zog, wenn hinter vorgehaltenen Händen getuschelt wurde und Witze die »Obrigkeit« schlecht aussehen

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