13 kleine Friesenmorde
Renken im befehlenden Ton.
»Feeken bereitet in der Kombüse einen Tee mit Rum vor«, sagte Benninga.
»Holen Sie ihn! Wir brauchen ihn, um das Segel zu setzen«, befahl er. »Wollen Sie versaufen kurz vor Helgoland? Keine Zeit für einen Schluck!«
Der Kapitän war aufgebracht, wandte sich ab und suchte die Brücke auf. Er trat an das Steuerrad, nahm das Fernglas in die Hand und suchte am Horizont nach den Konturen der Felseninsel.Unter dem Datum des 8. März 1886 erschien im »Friesischen Kurier« folgender Bericht:
»Neuharlingersiel. Ostfriesland. Die vielen orkanartigen Stürme Anfang März haben an der norddeutschen Küste viele Opfer an Menschenleben und stolzen Schiffen gefordert. Brave Seeleute verloren ihr Leben im Kampf mit den unberechenbaren Naturgewalten, stabil erbaute Schiffe fanden nicht zurück in die Heimathäfen und haben infolge des Jahrhundertsturms leider einen schmerzlichen Verlust zu beklagen. Der hiesige Kapitän Reent Renken, welcher sich auf der Reise mit einer Ladung Hüttenerzeugnissen aus Leeds von Newcastle nach Bremen befand, hat wahrscheinlich mit seiner aus drei Mann bestehenden Besatzung in der Nähe der Insel Helgoland seinen Tod in den Wellen gefunden. Die ?Euridike? hat den rettenden Hafen von Helgoland nicht erreicht. Nach unseren Rückfragen bei der Reederei ?Gebrüder Hugo und Jan Thomasens? fanden außer Kapitän Reent Renken der Steuermann Eilrich Benninga aus Großefehn, der Matrose Keno Warfmann aus Oldersum und der Koch Ino Feeken aus Upgant-Schott den Tod in den Wellen. Sträflich ist anzumerken, dass der bis dato unbescholtene, mit der Seefahrt vertraute und ansonsten zuverlässige Kapitän, auch das sei hiermit kundgetan, für die ostfriesischen Matrosen Tomko Fisser von Juist und Harm Oldtmann aus Greetsiel, die mit anderen Auswanderungswilligen an Bord eines Schiffes mit dem Kurs nach New Orleans anheuerten, keine willigen Matrosen zum Ersatz an Bord genommen hat. Der ?Euridike? fehlte es an Männern. Es bleibt ungeklärt, ob sie den Untergang voll bemannt überstanden hätten.
Mit dem Untergang der ?Euridike?, an der KapitänReent Renken erst vor wenigen Monaten einen Part gezeichnet hatte, wird sich das Seeamt in Emden befassen.
Der Schoner war mit 12.000 Mark in Leer, mit weiteren 2.500 Mark in Hamburg und mit 1.500 Mark in Carolinensiel versichert.
Kapitän Reent Renken, 51, Neuharlingersiel, hinterlässt seine Frau, einen Sohn, 22, der sich zurzeit als Matrose an Bord der ?Andrea? auf Großer Fahrt von Liverpool nach Rio Grande del Sul befindet, eine Tochter, 20, die mit einem Kapitän verheiratet ist und in Danzig lebt.
Um den Steuermann Eilrich Benninga, 44, aus Großefehn trauert seine Frau, der Sohn, 18, Leichtmatrose auf der Bark ?Jantje? auf Fahrt nach Bordeaux, und zwei Töchter, 16 und 14 Jahre alt.
Keno Warfmann, 28, hatte vor Antritt der Reise geheiratet. Seine Frau ist schwanger.
Der Koch Ino Feeken, 28, aus Upgant-Schott war ledig. Er wohnte bei seinen Eltern. Zwei seiner Brüder fahren ebenfalls zur See.
Die Reederei ?Gebrüder Hugo und Jan Thomasens?, Neuharlingersiel, bedauert das tragische Geschick zutiefst und vermeldete, ihre Kondolenz mit einer Zahlung in unbekannter Höhe für die Hinterbliebenen zu verbinden. Sie ordnete eine Trauerbeflaggung ihrer Schiffe an.«
Weder die Reeder Hugo und Jan Thomasens noch ihre fahrenden Seeleute und das Personal im Backsteinhaus mit Flaggenständer vor dem Sielhafen, auch nicht der Schreiber des Berichtes im Friesischen Kurier, erst rechtnicht die richtenden Sachverständigen des Seeamts in Emden, besaßen Kenntnisse von dem, was sich an Bord der »Euridike« ereignet hatte, nachdem der Schoner fürs Erste dem drohenden Untergang in Sichtnähe der Insel Helgoland entronnen war.
Die Schäden, die der Orkan hinterlassen hatte, waren nicht so gravierend, um mit dem Hissen der »Roten Fahne« die See-Untüchtigkeit der »Euridike« den ihren Kurs kreuzendenden Schiffen kundzutun.
Die Masten hatten dem Sturm getrotzt. Die Schäden am Klüverbaum und am Bramstag, abgerissene Rahen, zerrissene Sturmsegel, dazu gesellten sich einige weitere Bagatellschäden, bildeten kein Hindernis, vor dem Unwetter zu flüchten und den rettenden Hafen der Felseninsel anzusteuern, um sich dort auf Reede von den Strapazen zu erholen und notwendige Reparaturen durchzuführen. Die gut vertäute Ladung hatte keinen Schaden genommen.
Der abgeflaute Sturm aus Nordwest blies auf das Heck mit einer geschätzten
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