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13 kleine Friesenmorde

13 kleine Friesenmorde

Titel: 13 kleine Friesenmorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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Personen. Den erschütternden, zu Herzen gehenden Verzweiflungseintragungen auf den Seiten des Logbuches des Unglücklichen entnehme ich den Hinweis, dass der Bestimmungshafen des Schiffes Neuharlingersiel war, der zu Ihrem Amtsbereich zählig ist.
    Mit ergebener Hochachtung
    Knut Knutsen
    Der Staatsdiener Sandner erschrak beim Lesen der mit einem Bleistift gefüllten Zeilen. Tief ergriffen blickte er auf die Blutflecken, die der Kapitän auf der Logbuchseite beim Verfassen der Mitteilung hinterlassen haben musste.
    Er erinnerte sich an die schweren Stürme Anfang März und brachte das Schiff »Euridike« damit in einen Zusammenhang. Er legte das Schreiben auf den Tisch und überlegte. Langsam dämmerte es ihm. Das Schiff war in den Gewässern um Helgoland gesunken. Das Seeamt in Emden hatte schwere Vorwürfe gegen Kapitän Reent Renken erhoben. Sandner atmete tief durch.
    »Mein Gott! Das stellt alles auf den Kopf«, sprach er vor sich hin.
    Er legte das Begleitschreiben und die Kapitänsniederschrift in den Pappbogen, ergriff die grüne Rumflasche, verließ sein Dienstzimmer, hastete zur Treppe und nahm mit einer ihm kaum zuzutrauenden Schnelligkeit die Treppenstufen. Er eilte durch den Flur, klopfte an die Tür des Dienstzimmers des hochgeehrten Amtsrates Georg Sassen, öffnete sie unaufgefordert, richtete sich auf, rang nach Luft, zog die Tür in das Schloss und blickte in das ernste Gesicht seines Vorgesetzten, der verwirrt seinem Blick begegnete.
    Amtsdirektor Egon Sassen saß an seinem Schreibtisch. Er trug eine aus leichtem Stoff geschneiderte Jacke, ein weißes Hemd mit aufgesetztem gesteiften Kragen, eine schwarze Fliege und ein zugeknöpftes Gilet, an dessen drittem Knopf die massive Kette der Taschenuhr befestigt war.
    Er hatte volles Haar. Sein vom Segeln gebräuntes Gesicht zierte ein Schnäuzer und ein gestutzter Bart.Sassen näherte sich den fünfzig. Er blickte verwirrt auf die grüne Flasche.
    »Sandner! Was soll das? Ungerufen kommen Sie hereingeschneit«, entfuhr es ihm empört. Die Falten um seine blassblauen Augen verrieten seinen Unmut. »Was bringen Sie mir da?«, fügte er streng hinzu.
    In Sandners rosiges Gesicht stieg eine Blässe. »Ich bitte ergeben, mein Eindringen zu entschuldigen. Post aus Keitum. Entsprechend meiner dienstlichen Befugnisse öffnete ich das Paket. Es enthielt diese Flasche, ein Begleitschreiben und eine Mitteilung des Kapitäns der verschollenen ?Euridike?.« Sandner näherte sich dem Schreibtisch, stellte die Flasche ab und reichte dem Amtsrat den Pappumschlag.
    Sassen blickte überrascht auf.
    »Setzen Sie sich!«, sagte er und wies auf den Besucherstuhl. Er entnahm dem Pappumschlag die Schreiben und las.
    Der Portier sah nicht ohne stolz auf seine Mission zu, wie der Amtsrat erschrak, und schaute innerlich erregt auf die Lederrücken der dickleibigen Bücher, die das seitliche Regal enthielt. Licht fiel durch das Fenster auf einen kleinen Tisch mit einer modernen Druckmaschine.
    Egon Sassen legte die Schriftstücke in einen hölzernen Aktenbehälter. Er schaute den Portier forsch an.
    »Sie kennen den Inhalt der Schreibens?«, fragte er.
    Sandner nickte. »Sie haben gut daran getan, den sonst üblichen Dienstweg nicht einzuhalten. Depeschieren Sie an den ?Friesischen Kurier?. Bitten Sie einen der Herren Journalisten zu uns! Es gilt schnell zu handeln! Sandner, keine Silbe an die Gazette! Ich wende mich persönlich an den Herren Amtsrichter.«
    Der Portier nickte und erhob sich.
    »Sie sind verpflichtet zu schweigen. Ich danke Ihnen. Sie haben mitgedacht. Sie können gehen«, ordnete Sassen an.
    Sandner verließ nicht ohne Stolz das Dienstzimmer.
     
    Unter dem Datum des 25. Mai 1886 erschien im »Friesischen Kurier« unter der fetten Überschrift »Flaschenpost – Ein Kapitän klagt an« ein Bericht, der den Lesern nicht nur zu Herzen ging, sondern in der gesamten Küstenregion und darüber hinaus für Abscheu und Empörung sorgte. Kaum jemand zweifelte an der Glaubwürdigkeit des Beitrags.
    Depeschen gingen über die Drähte von Danzig bis Kiel, von Emden bis Husum. Das hatte eine bis dato unvorstellbare Zusammenarbeit der Polizeibehörden zur Folge.
    Im Seeamt Emden nahmen die Herren Sachverständigen den Bericht des »Friesischen Kuriers« bestürzt zur Kenntnis, mehr noch, das versteht sich, zeigten die Angehörigen der Opfer des Dramas an Bord der »Euridike« tiefste Betroffenheit.
     
    Vor dem Reederei-Gebäude der Gebrüder Hugo und Jan Thomasens in

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