13 kleine Friesenmorde
Bewohner, diskret bitte. Nach unseren Erfahrungen können wir diese Maßnahme nicht außer Acht lassen. Ich denke zusätzlich an eine
Befragung der Taxi-Unternehmer. Fertigen Sie einen diesbezüglichen Fragebogen an und schicken Sie ihn an die Innung. Es liegt nahe, falls es sich um
Süchtige gehandelt haben sollte, dass sie sich nach der Tat nach Emden oder Aurich chauffieren ließen, um an Koks zu kommen.«
Volker Bents stimmte dem zu. Er machte sich Notizen und nahm sich vor, morgen entsprechende Anweisungen an seine Kollegen zu geben.
»Herr Dieling, was halten Sie davon, wenn wir nach Westermoordorf zum Tatort fahren. Sie können sich dort umsehen und mit Georg Pilchrat persönlich sprechen.«
»Eine gute Idee«, antwortete der Staatsanwalt.
Der Kommissar griff zum Telefon und wählte die Handynummer des Sohnes der Jakoba Pilchrat. Der Unternehmer erklärte sich bereit, sie zu empfangen, hatte er doch selbst eine Menge Fragen an den Staatsanwalt zu stellen.
Sie verließen das Dienstzimmer. Als Ortskundigerbat Bents den Staatsanwalt, in seinen Golf einzusteigen. Sie fuhren über Hage, Halbemond nach Westermoordorf.
Am Mittwoch, dem 12. Dezember, überzog eine Schlechtwetterfront die ostfriesische Küste. Es war regnerisch. Der Wind kam aus westlicher Richtung und hatte die Stärke 5 bis 6. Das Thermometer zeigte 4 Grad an.
Polizeikommissar Hanno Nestler trug an diesem nasskalten Morgen Zivil. Er war hoch gewachsen und äußerst schlank, fast dürr. Der 40-jährige Beamte wohnte mit seiner Frau Tinni und zwei Kindern in Berumbur.
Gegen 10 Uhr betrat er das Dienstzimmer seines Kollegen Volker Bents von der Kripo.
»Moin«, grüßte er.
Bents erwiderte den Gruß. »Das Einwohnermeldeamt Großheide hat mir die Liste zugefaxt. Wir fahren gleich los«, sagte er, zog die feste Wetterjacke über und nahm seine Diensttasche vom Schreibtisch.
Er und Nestler verließen das Dienstzimmer, gingen über die verwinkelte Treppe zum Ausgang, suchten den Passat auf und stiegen ein.
»Scheißwetter«, schimpfte Bents und fuhr los.
Der böige Wind fuhr durch Weihnachtsbäume, spielte mit Kranzgirlanden und Lichterketten. Der Regen prasselte auf das Autodach und floss in Strömen über die Windschutzscheibe. Auf dem Marktplatz standen Pfützen. Der Taxistand war verwaist. Auf der Osterstraße klumpten sich Passanten vor den Geschäften, suchten Schutz, hielten ihre tropfenden Schirme in den Händen und schauten hoffnungsvoll in den sich aufklarenden Wolkenhimmel.
Bents lenkte den Passat am Kreiskrankenhaus vorbei und fuhr durch Lütetsburg, Hage, Berum nach Berumerfehn.
Das große Klinkerhaus Am Möhlenkamp mit den Hausnummern 18 und 19 wirkte trostlos an diesem Dezembermorgen. Daran änderte auch nichts die errichtete große Tanne mit ihren Lichterketten, die das Weihnachtsfest ankündigte. Eine Menge Fahrräder lehnte an der Klinkerfassade. Auf den mit Waschbetonplatten belegten Auffahrten standen Kleinwagen älterer Baujahre. Bents öffnete seine Diensttasche und entnahm ihr die Liste mit den Namen der Bewohner.
»Zwölf Mietparteien. Ich schlage vor, wir putzen nur die Klinken der Familien mit Söhnen im Alter von fünfzehn Jahren aufwärts«, sagte er und reichte sie Nestler. »Beginnen wir im Haus 18 mit der Familie Iwan Futzek. Wohnung 4, I. Etage. Zwei Söhne, 17 und 19 Jahre alt. Ganz locker, versteht sich.«
Sie verließen den Wagen, eilten durch den Regen zur Haustür, studierten die Namensschilder und klingelten.
»Boris Futzek! Wer ist da?«, drang es ihnen blechern entgegen.
»Polizei! Herr Futzek, wir suchen nach Zeugen und bitten Sie um ein Gespräch«, sprach Bents in die Sprechanlage.
»Ich komme nach unten«, antwortete er.
Boris Futzek, ein athletischer junger Mann mit schwarzem Haar, gekleidet in Jeans und einen marineblauen
Bundeswehrpullover, blickte die Beamten fragend an.
»Herr Futzek, Sie kennen sich hier aus. In Westermoordorf wurde am Samstagabend eine alte Frau
überfallen,beraubt und getötet. Hinweisen zufolge suchten die Täter zur späten Stunde in der Dunkelheit im Hause 18 oder 19
Unterschlupf.« Kommissar Bents trug dick auf.
Boris Futzek zog die Stirn kraus. »Mal wieder die Russlanddeutschen! Sie vergeuden Ihre Zeit! Zugegebenermaßen tragen auch hier in Ostfriesland kriminelle, asoziale Aussiedler zu unserem miesen Ansehen bei, stänkern überall herum und betätigen sich als Schläger. Gründe für mich und meinen Bruder genug, auf Diskobesuche zu
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