13 kleine Friesenmorde
Marschallgebäude des Schlosses, deren gefrorene Spitzen im Sonnenlicht glitzerten. In dem Anbau, in dem einst fürstliche Pferde versorgt und gepflegt wurden, befand sich das Untersuchungsgefängnis. Er nahm sich vor, nicht eher zu rasten und zu ruhen, bis er den Täter oder die Täter zu Strecke gebracht haben würde, die die ehrenwerte alte Dame brutal erschlagen hatten.
Der Staatsanwalt ordnete seinen Schreibtisch. Er trug eine graue Flanellhose, ein weißes Oberhemd, Krawatte und einen V-Ausschnitt-Pullover. Er zog
sein modisches Pepitajackett über, setzte seine Elbsegler-Mütze auf das kurze Haar, griff zum dunkelblauen Trenchcoat und betrat das Vorzimmer.
»Frau Beenen, ich mache Mittag. Melden Sie mich bei der Kripo in Norden an. Sagen wir gegen 14.30 Uhr«, ordnete er an.
Frau Beenen griff zum Telefonhörer.
Dieling schlüpfte in den Trenchcoat und stand wartend vor der Tür.
Die Sekretärin legte auf. »All up Stee«, sagte sie.
»Mahlzeit«, sagte Dieke Dieling, verließ das Vorzimmer, ging durch den langen zugigen Flur und suchte den Parkplatz auf.
Der Staatsanwalt verabscheute Kantinenessen. Es bereitete ihm Spaß, bei hochgedrehter Radiotaste dem »Klassik-Programm« von N3 zu lauschen, während er in der gut ausgestatteten Küche für sich selbst kochte. Er hatte am Sonntag ostfriesischen Grünkohl, echt mit Pinkel, Kasseler und Grieben, zubereitet, war dabei großzügig verfahren und freute sich auf die Mahlzeit, die bekanntlich aufgewärmt in der Pfanne erst recht vorzüglich mundete.
Nach dem Abwasch verließ er um 13.30 Uhr das Haus in Tannenhausen und fuhr nach Norden, um sich mit dem federführenden Kommissar Volker Bents zu besprechen.
Kommissar Bents begrüßte den Staatsanwalt, rückte den Besucherstuhl in Schreibtischnähe und kam ohne Umschweife zur Sache, während der Staatsanwalt den Mantel an den Garderobenhaken hängte und auf dem Stuhl Platz nahm.
Der Kommissar berichtete knapp und sachlich und reichte dem Staatsanwalt die dürftige Neuakte an. Dieke Dieling las das Protokoll und die Aktennotiz und blickte auf.
»Ein Opel Kadett mit holländischem Kennzeichen«, sagte er und verzog den Mund zu einem leichten Grinsen. »Nichts für ungut. Der Zeugin gebührt unser Dank. Der Anblick südländisch aussehender junger Männer gehört zum Alltagsleben.«
»Dennoch habe ich bereits eine entsprechende Meldungan den Bundesgrenzschutz in Bunde weitergeleitet«, antwortete Volker Bents.
»Recht so, man kann nie wissen«, antwortete der Staatsanwalt. »Doch ob sich mögliche Täter südländischer Herkunft eines Knüppels mit blättriger Rinde bedient haben, stelle ich in Frage. Dagegen ist der Gedanke an Süchtige schon näher liegend.«
»Frau Jakoba Pilchrat prahlte nicht mit ihrem Wohlstand«, sagte Bents. »Doch allein schon das attraktive Anwesen und die Tatsache, dass sie sich neben ihrem teuren Mercedes einen Kleinwagens leistete, fiel aus dem Rahmen. Sie bewohnte das Haus alleine. Die Ausführung des Verbrechens lässt ebenfalls darauf schließen, dass ihr keine ausgeklügelte Taktik vorausging, sondern spontan erfolgte.«
»Dabei entspricht diese Lesart nicht dem Tatbestand unserer Beobachtung der Rauschgiftszene im Großheider Raum«, fügte er hinzu.
Dieke Dieling nickte. »Emden ist nicht weit entfernt. Auch in Aurich wird gedealt. Mich machen die Aussagen des Sohnes stutzig. Zwischen den Zeilen lese ich sein Misstrauen. Dieser Bertus Poppen, der seiner Mutter die Gartenarbeiten abnahm, findet keine lobenden Worte.
Seiner Beschreibung nach handelt es sich um einen fast schwachsinnigen, buckligen ehemaligen Schulkameraden seiner Mama. Hat dieser Poppen, aus welchen Gründen auch immer, an der Haustür geklingelt? Rächte er sich für erlittene Schmach? Handelte er aus Geldnot? Oder besaß er keine müde Mark mehr für seinen Alkoholgenuss?« Dieling legte den Aktenordner ab.
»Es fehlt an Zeugenaussagen«, antwortete der Kommissar.»Am Samstagabend fiel Schnee. Es war früh dunkel.«
»Auf Hinweise zu warten, ist zu wenig. Dem Verbrecher oder den Verbrechern ging es um Geld und leicht zu versilbernde Gegenstände. Wir benötigen von
Georg Pilchrat eine Liste der entwendeten Schmuckstücke. Ich schlage vor, dass Sie dem alten Sonderling einen Besuch abstatten. Immerhin war Jakoba
Pilchrat seine Arbeitgeberin. Mir ist nicht bekannt, ob es in Berumerfehn, Westermoordorf und Großheide Asylantenheime gibt, wenn ja, dann interessieren
Sie sich für die
Weitere Kostenlose Bücher