13 kleine Friesenmorde
Blutlache, über seinen Buckel wölbte sich der Troyer. Bertus Poppen trug eine Drillichhose. Die Luft roch nach Alkohol, Kot, Pisse und Blut.
Die Gemeindeschwester Petra schrie auf, griff mit zitternden Händen zum Handy und wählte die Notrufnummer. Ihr Anruf sorgte für Wirbel.
Die Beamten vom Revier in Norden leiteten eine Rettungsaktion ein, mit Krankenwagen und Notarzt. Die Besatzung
eines Streifenwagens bildete die Vorhut, und es kostete sie viel Mühe, den Schuppen zu erreichen.
Der Alte hatte sich, aus welchen Gründen auch
immer, besoffen, das bezeugten die leere Corvitflasche und die Batterie geleerter Bierdosen. Er war verstorben an den Folgen eines Sturzes. Er war mit
dem Kopf gegen die Steinwand geprallt, danach auf den Steinboden aufgeschlagen, wie der Notarzt testierte. Er schloss Fremdverschulden aus.
Bertus Poppen hatte – wie seine Gönnerin Jakoba Pilchrat – das Zeitliche gesegnet. Die Gemeinde beauftragte ein Bestattungsunternehmen mit seiner
Beisetzung auf dem Berumerfehner Friedhof. Die Freiwillige Feuerwehr rückte an und sorgte für eine erste grobe Reinigung.
Volker Bents, der es aus nachvollziehbaren Gründen nicht geschafft hatte, den alten Kauz kennen zu lernen, reagierte nachdenklich, als er von dem Unglück und den Folgen erfuhr. Wieder tauchte die Frage auf, ob der schwachsinnige, bucklige ehemalige Schulgefährte der Jakoba Pilchrat benebelt und angetrunken für die ihm zugefügten Quälereien aus Rache zum Knüppel gegriffen hatte.
Bents besprach sich mit Nestler. Sie beschlossen, sich im »Schuppen« umzusehen, und fuhren los.
Sie erreichten das Haus, als der Notarzt und der Krankenwagen abfuhren. Gemeindeschwester Petra Petersen führte Bents und Nestler mit verheulten Augen durch die Räume. Sie hatte bereits die Fenster geöffnet und gelüftet.
»Der Doktor hat gedacht, Bertus habe nicht gelitten. Er war auf der Stelle tot. Er wollte nie ins Heim«, sagte sie mit belegter Stimme.
»Frau Petersen, wir interessieren uns für die Inhalte seiner Schubladen«, sagte Bents.
Die Schwester begleitete sie zum Schlafzimmer, trat an eine alte Kommode und zog die Schublade nach vorne.
»Ich weiß nicht, was Sie suchen, seine Papiere, sein Geld und das, was für ihn Wert besaß, pflegte er hier aufzubewahren«, sagte sie.
Bents öffnete eine alte Keksdose. Sie enthielt vergilbte Fotos und den ungenutzten Personalausweis. Er entnahm der Schublade einen Ordner.
»Seine Verträge und Dokumente«, sagte Petra Petersen.
Der Kommissar legte den Ordner zurück und brachte eine Zigarrenkiste zutage.
»Ein paar alte Münzen«, sagte die Gemeindeschwester.
Bents öffnete sie, griff erstaunt nach einer alten, goldenen Taschenuhr mit massiver Goldkette.
»Das darf doch wohl nicht wahr sein!«, sprach er überrascht vor sich hin.
Er hielt sie in der flachen Hand und drückte mit dem Daumen auf den mit Rosetten umgebenen Einstellknopf. Der Deckel sprang auf. Er blickte auf das vergoldete Zifferblatt, klappte den Deckel zurück und betrachte den auf dem goldenem Boden eingestanzten Namen »Jacques Mathous Zürich 1856« und auf der schützenden goldenen Rückwand »Garantie 20 Jahre«.
Hanno Nestler blickte ihn fragend an.
Der Kommissar nickte.
»Frau Petersen, auf Sie fällt die Rolle der Nachlassverwalterin. Ich nehme diese Uhr mit, um sie dem Staatsanwalt zu zeigen«, sagte Bents.
»Hat es was auf sich?«, fragte sie.
»Nein, ich denke nicht«, antwortete Bents. Seine Kollegen vom Streifendienst hatten das Haus bereits verlassen.
»Sie haben die Schlüssel des Hauses«, wandte sich Nestler an Frau Petersen, die mit dem Blick auf den toten Bertus Poppen erneut in Tränen ausbrach.
»Bitte bleiben Sie bei mir, bis der Bestatter hier war«, bat sie die Beamten.
»All up Stee!«, meinte Bents.
Der Gestank verzog sich. Durch die offene Tür und die geöffneten Fenster zog frische kühle Luft in die abgewohnten Räume.
Petra Petersen sorgte mit blassem Gesicht in der primitiven Küche mit dem bekleckerten Vierplattenherd für Ordnung und klapperte mit
dem Geschirr. Ihr ging es mehr um Ablenkung.
Bents und Nestler sahen sich in der Wohnung um, in der Bertus Poppen friedlich auf dem Boden lag,
als schliefe er seinen Rausch aus.
In der Ecke stand ein abgewetzter Sessel mit dem Blick auf den Fernseher. Im Zimmer befanden sich zwei Stühle
und ein Tisch. Auf einem Regal stand ein leerer Aschenbecher. Daneben lagen eine Tabakdose der Marke »Rum and Maple« und
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