13 kleine Friesenmorde
Brötchen und Rührei mit Speck, griff Carlo Melchert zum Handy und
wählte die Nummer des Taxis, während Felix Sievers die am Vorabend aufgestellte Liste zusammenfaltete und sie mit Vorfreude in sein Portmonee
schob.
Sie hatten mit Verachtung ihrer Frauen gedacht und fühlten sich von ihnen betrogen. Doch die Trennung von ihren Kindern, die fern von
ihnen heranwuchsen, setzten ihnen vier Tage vor dem Heiligen Abend sehr zu. In Anbetracht des Schmuddelwetters und der geplanten Einkäufe ließen sie
ihre Fahrräder im Schuppen. Sie zogen ihre Wetterjacken über, entschlossen sich, die Spüle nach ihrer Rückkehr zu erledigen, traten vor das Haus,
stiegen in das Taxi und ließen sich nach Norden fahren.
Die dudelnde Weihnachtsmusik, der Lichterglanz und Tannenschmuck in den Straßen stimmten
die beidenVettern fröhlich, ließ sie etliches vergessen. Sie mischten sich unter die Passanten, tranken, aßen eine Bratwurst, tranken
Glühwein, besuchten anschließend das Spielwarengeschäft und fanden dort alles, was sie aufgelistet hatten: »Das Piratenschiff« von Play-Mobil, die
»Arizona Ranch«, die Puppe, die beim Wiegen die Augen schließt und vieles mehr. Sie zahlten in bar, inklusive der Versandkosten. Die Verkäuferin
garantierte ihnen die pünktliche Ankunft der beiden Weihnachtspakete.
So, eingedenk der freudigen Überraschungen, die die Pakete verursachen
würden, sahen sie dem Weihnachtsfest zufrieden entgegen.
Am Freitag, dem 21.12., kam der Wind aus nördlicher
Richtung und erreichte in Sturmböen die Stärke 6 bis 7. Über die Küste trieben schwarze, geballte Schlechtwetterwolken. Hin und wieder kam es zu
heftigen Schneeregen-Schauern bei Temperaturen um den Gefrierpunkt.
Staatsanwalt Dieke Dieling saß im Dienstzimmer am Schreibtisch und blätterte
in den Akten. Er kam zu dem Ergebnis, dass Bertus Poppen die Witwe Jakoba Pilchrat in einem unkontrollierten geistigen Zustand erschlagen hatte. Dafür
sprachen die zur Diebesmasse gehörende antike Taschenuhr, das Tatwerkzeug, ein primitiver Knüppel – an denen es in seiner waldreichen Umgebung nicht
mangelte –, den er in einem Anfall von wilder Raserei ergriffen hatte. Hinzu kam, dass er sich, wie der Arzt vom Norder Krankenhaus in seinem
Untersuchungsbericht festgestellt hatte, mit 3,5 Promille in einem benebelten Zustand auf den Weg zur Brückstraße in Westermoordorf begeben haben
musste.
Ihn verbanden mit der »Gnädigen«, wie er das Opfer zu nennen pflegte, Kindheitserlebnisse, die dem schwachsinnigen Alten nach
Beendigung der Gartenarbeit wegen des sich nahenden Winters ins Bewusstsein gestiegen waren. Er vermisste das Gespräch mit Jakoba Pilchrat, ihre
Zuwendungen und sah sich erneut von ihr abgewiesen. Vielleicht hatte er sich des Knüppels als Gehhilfen bedient, rastete beim herzlosen Empfang vor der
Haustür aus. Für diese Version sprach auch die Annahme, dass er sich im Hause des Opfers ein wenig auskannte.
Staatsanwalt Dieling zog den
Wettermantel über, verließ sein Dienstzimmer, meldete sich bei seiner Sekretärin ab und fuhr nach Norden. Er hatte die Leiche des mutmaßlichen Mörders
zur Bestattung freigegeben. Der Arzt hatte Fremdverschulden ausgeschlossen.
Dieling parkte den Wagen vor dem »Alten Weinhaus«, stieg aus und
begab sich zum Dienstzimmer des Kommissars. Ihn wurmten die vielen Anrufe der Journalisten, die Auskunft über den Stand der Ermittlungsarbeiten im Fall
Jakoba Pilchrat wünschten, zu Recht, wie er annahm. Er betrat das Dienstzimmer.
»Moin«, grüßte er. »Bleiben Sie sitzen«, fügte er hinzu, hängte
den Trenchcoat an den Haken und legte seine Elbsegler-Mütze auf die Ablage.
Bents saß am Schreibtisch, vor ihm lag die angewachsene Akte.
Dieling schob den Stuhl in Schreibtischnähe. »Die können Sie schließen«, sagte er. »Der Fall ist aufgeklärt. Der Mörder fand im Suff ein
bedauernswertes Ende.«
»Gestern wurde er zu Grabe getragen. Er war vier Tage älter als Jakoba Pilchrat und verstarb vier Tage später. Da hat der
Zufall Regie geführt«, meinte Bentssarkastisch, während sich eine Wolke entlud und der Wind Schneeregen gegen das Fenster warf. Vom
Glockenturm drangen die Schläge in das Dienstzimmer. Es war 11 Uhr.
»Herr Bents, erste Spaziergänger interessieren sich für das alte Gemäuer am
Rand des Moores und belästigen Ihre Kollegen aus Oldenburg mit neugierigen Fragen. Das Telefon steht nicht still. Die Meute der
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