13 kleine Friesenmorde
prächtigen Haarfrisuren.
Den Vettern fehlte es an
nichts an diesem Heiligen Abend. Mit dem Picken der Gabeln in saftige Fleischbröckchen und würzigen Salaten bei eingeschaltetem Fernsehen vertrieben
sie ihre Wehmut.
Auch am ersten und zweiten Weihnachtstag sorgten sie mit weiten Spaziergängen für ihre Verdauung, genossen den kalten
Küstenkorn, tranken Bier und warteten nach den Feiertagen sehnlichst auf Post ihrer Kinder.
Sylvester feierten sie in Norddeich im Haus des
Gastes im Kreise angereister Gäste, die sie in ihre lockeren Gespräche und Fröhlichkeit einbezogen. Ein Taxi brachte sie am frühen Morgen zurück nach
Berumerfehn. Sie schliefen in den Tag hinein. Am Nachmittag studierten sie belustigt die eingesteckten Visitenkärtchen bürgerlicher Rheinländer, die
ihnen bei der Stellensuche ihre Mithilfe zugesichert hatten.
Mit Bratheringen und Rollmöpsen bekämpften sie ihren Kater, um sich am Abend erneut
mit Corvit und Bier der Realität zu entziehen, und verpassten, zum Unwillen des Gemeindekämmerers, ihren zugesagten Einsatz bei der Beseitigung der
Rückstände der Sylvesterparty vor dem Kompanie-Haus. Die Rüge nahmen sie gelassen zur Kenntnis, hatte sich doch für sie das Blatt gewendet.
Am
Morgen des 4. Januar trieb der kalte Ostwind Schauerwolken über die ostfriesische Küste. Es kam gelegentlich zu Schneeschauern. Die Straßen waren
glatt. Streufahrzeuge waren im Einsatz.
Carlo Melchert saß vor dem Fernseher und trank Bier, während Felix Sievers in der Küche im großen Suppentopf ein Hähnchen kochte. Er
dachte an seinen kleinen Sohn. Er hatte mit ungelenker Schrift: »Lieber Papa, danke für die schönen Sachen. Besuch mich mal!« auf eine Ansichtskarte
mit dem »Michel« aus Hamburg geschrieben.
Das Läuten der Haustürklingel riss Felix aus seinen Gedanken.
»Carlo!«, rief er laut.
Sein Vetter stellte den Fernseher ab, verließ die Wohnung und öffnete die Tür. Er blickte überrascht auf.
»Wir kennen uns«, sagte Kommissar
Bents. »Das hier sind mein Kollege Nestler, Kommissarin Christa Ailts und Herr Dieling, Staatsanwalt.«
Carlo Melchert erschrak. Seine Blicke
huschten über die Gesichter der Besucher.
»Und was wollen Sie von mir?«, fragte er aufgeregt. Er zuckte zusammen, als Frau Ailts nach ihrem
Gürtel griff und ihn ein wenig hochschob.
»Zuerst einmal begehren wir Einlass und wünschen, dass Ihr Vetter ebenfalls an unserer Unterhaltung
teilnimmt«, sagte der Staatsanwalt ernst.
»Was soll das Theater?«, fragte Melchert und öffnete die Tür. Die Beamten betraten den
Korridor. Wachtmeisterin Ailts schloss sich an und behielt Carlo Melchert im Auge, der nervös wirkte und ständig um sich blickte, als suche er nach
einer Möglichkeit, abzuhauen.
Im Wohnzimmer lag der Essensduft. Felix Sievers schaute sprachlos mit blutleeren Lippen die Besucher an.
»Ich bin im Besitz eines vom Amtsrichter unterzeichneten Haftbefehls«, sagte der Staatsanwalt. »Ich bitteSie, eine Tasche mit den
notwendigsten Dingen für einen längeren Aufenthalt im Untersuchungsgefängnis zu packen. Kommissar Nestler wird Ihnen dabei auf die Finger schauen.«
»Sie können uns nichts beweisen«, schrie Felix Sievers wütend.
»Wir werden es Ihnen beweisen«, sagte der Kommissar. »Die Russen, auf die Sie
den Verdacht lenkten, radeln vielleicht immer noch in Richtung Küste. Deren Taschen waren leer. Die Beute aus dem Überfall auf Jakoba Pilchrat befindet
sich vermutlich hier in Ihrer Wohnung. Wir werden uns auf Schatzsuche begeben, wenn Sie sich auf dem Wege zum Gefängnis befinden.«
»Wir waren es
nicht!«, stieß Carlo Melchert erregt hervor. »Das war Bertus! Der Buckel hat es uns erzählt! Und da er verstorben ist, haben wir das Geld und den
Schmuck an uns genommen. Er hat keine Erben . . . «
»Sie haben auch den alten Mann auf dem Gewissen. Sie haben versucht, ihre Spuren
abzuwischen, dem Alten die Uhr in die Kommode gelegt und den Stock auf seinem Gelände hinterlassen, um die Tat auf ihn zu wenden«, sagte der
Staatsanwalt kalt.
»Das können Sie uns nicht anhängen!«, sagte Felix Sievers und verzog das Gesicht.
»Sie haben vergeblich Ihre
Fingerabdrücke von den Bierdosen gewischt und den Aschenbecher geleert!«, sagte der Kommissar. »Sie besaßen die Frechheit, an der Beisetzung ihres
Opfers teilzunehmen. Ihrem Trauerbesuch verdanke ich eine Zigarettenkippe für Ihren genetischen Fingerabdruck. Eine Kippe verloren Sie
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