13 kleine Friesenmorde
dem sich der eisige
Nordwestwind brach und zügige Wirbel bildete. Die Schlösser des Wagens waren vereist. Eine Schneewehe bedeckte die Motorhaube samt Frontscheibe und
Kotflügel. Eine Wetterbesserung war nicht in Sicht. Im Gegenteil, es schneite weiter.
Claas fühlte die eisige Kälte in seinem Gesicht. In seinen
buschigen Augenbrauen hatten sich Eisklümpchen gebildet. Er hob fragend die Schultern. Er und seine beiden Mitarbeiter, die im benachbarten Containerbüro
statistische Berechnungen erstellten, Arbeits- und Ablaufprozesse von den Rechnern optimieren ließen, bildeten die Vorhut für die im Frühjahr beginnenden
Baumaßnahmen.
Entschlossen näherte sich van Thun seinem Containerbüro, öffnete die Tür und betrat das mollig warme Büro.
»Moin«, sagte er.
Die Ingenieure Rolf Schiefer und Addi Oerding blickten ihren Vorgesetzten fragend an.
»Chef, wir saufen ab im Schnee«, sagte Schiefer. »Am Abend
bekommen wir die Wagen nicht mehr frei. «
»Wir müssen uns Skier besorgen«, frotzelte der rothaarige, schlanke Oerding verschmitzt.
»Sie müssen
noch nach Nievenheim und Dormagen«, sagte Claas van Thun. »Machen wir für heute Schluss. Ich lasse meinen Wagen hier stehen und begebemich bereits heute auf die Heimreise mit der Bahn.«
»Chef, ich fahre Sie zu Ihrem Hotel«, warf Schiefer ein.
»Danke«, sagte van
Thun, verließ die Kollegen, stapfte durch den Schnee zu seinem Büro, ordnete den Schreibtisch, stellte den Gasofen ab, ließ die Jalousien über die Scheiben
gleiten, packte seine Tasche, schloss die Tür hinter sich und half mit, die Autos seiner Mitarbeiter vom Schnee zu befreien und vom vereisten Areal auf die
feste Fahrbahn zu schieben.
Claas van Thun packte seine Reisetasche, meldete sich an der Hotelrezeption ab, ging
über die Drususallee zur Krefelder Straße zum Bahnhof, stieg in die S-Bahn und fuhr nach Düsseldorf zum Hauptbahnhof. Auf Gleis 18 erreichte er pünktlich
den IC-Senator. In Münster hatte er sofort Anschluss. Der Zug war mehr als gut besetzt. Missmutig trug Claas van Thun seine Reisetasche durch die belebten
Gänge und fand schließlich zu einem Abteil mit einem freien Sitzplatz. Er legte die Tasche auf die Gepäckablage und blickte überrascht in das lachende
Gesicht seines ehemaligen Klassenkameraden und Mitabiturienten Menno Adinga.
»Kaum zu glauben«, sagte Claas van Thun und reichte Adinga die Hand. Er
legte seine Prinz-Heinrich-Mütze ab, schälte sich aus dem Mantel, hängte ihn an den Haken, ordnete sein Jackett und nahm neben Menno Platz.
»Alter
Junge«, sagte der Schulfreund. Menno hatte zugenommen, wie Kuno bemerkte. »Was treibst du so?«, fügte er mit einem breiten Lächeln hinzu.
Er trug einen olivgrünen Rollkragenpullover und schilfgrüne Cordjeans. Sein Haar hatte sich gelichtet. Mennos Vater hatte die »Ludgeri-Apotheke« in Norden an der Norddeicherstraße besessen, die, soweit er sich entsinnen konnte, nicht mehr existierte.
»Mein BMW steht eingeschneit auf der Baustelle in Neuss. Da bleibt nur die Bahn«, antwortete Claas in seiner ruhigen, behäbigen Art.
»TH Aachen?«, fragte Menno.
Claas nickte. »Bauingenieur bei Altmann in Aurich.«
»Und?«, fragte Menno belustigt nach.
»Oberes Management. Ich komme viel rum in der Republik, viele Stunden, versteht sich, verdiene dementsprechend. Und du?«, fragte Claas.
Menno machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Der Doktor und das liebe Vieh«, antwortete er belustigt. »Tierarzt in Havixbeck. Pferde, Kühe, Rinder, Schweine und auch Kleinvieh macht so manche müde Mark«, fügte er hinzu.
»Und deine Eltern?«, fragte Claas.
»Beide verstorben. Ich besuche Maike. Das Haus steht zum Verkauf. Sie sucht den Ratschlag des älteren Bruders«, antwortete Menno.
»Was macht sie?«, fragte Claas.
Maike war hübsch, wie er sich erinnerte.
»Ihr Mann erlag dem Krebs. Sie ist kinderlos und arbeitet als Ärztin im Norder Krankenhaus«, antwortete Menno und blickte in die gelangweilten Gesichter der Mitreisenden, während der Interregio der Endstation Norddeich durch das Emsland entgegenraste.
»Ich bin verheiratet. Meine Frau zieht hauptberuflich unsere Söhne auf und hilft mir bei der Abrechnung. Unsgeht es gut«, sagte Menno zufrieden und blickte seinen Schulfreund fragend an.
»Wir hatten noch keine Zeit für Kinder. Wir haben in Berum gebaut. Meine Frau arbeitet ebenfalls im Norder Krankenhaus«, sagte Claas gelangweilt.
Menno blickte überrascht auf. »Ich
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