13 kleine Friesenmorde
erinnere mich. Ich brachte es nicht auf die Reihe. Meine Schwester, sie neigt zum Tratschen, hält mich auf dem Laufenden. Dr. Veiser, unser Lateinlehrer, ist vor 14 Tagen verstorben, auch Ost Redenbach lebt nicht mehr«, sagte er.
»Ich bin viel unterwegs und lese nicht den Kurier«, antwortete Claas, während der Zug Papenburg verließ.
»Claas, einen Moment. Wie heißt deine Frau, ist sie vom Ulrichs-Gymnasium?«, fragte Menno.
»Greta ist einige Jahre jünger als ich. Sie kommt von Baltrum«,antwortete Claas.
»Ach, ist sie eine geborene Roolfs?«, fragte Menno nachdenklich.
Claas blickte ihn überrascht an und nickte.
»Station 12 A? Professor Huberts?«, fragte Menno.
»Richtig«, antwortete Claas. »So klein ist die Welt.«
»Sie soll sehr hübsch und beliebt sein. Eine Supersportlerin. Sie gewann den Norderney-Marathon und spielt Basketball«, sagte Menno, während sich der Interregio Emden näherte.
»Du bist als Tierarzt gut informiert, während ich nicht weiß, wo Havixbeck liegt«, meinte Claas und lachte verkniffen.
»Im Münsterland. Meine geschwätzige Schwester Maike hat deine Frau Greta ins Herz geschlossen. Nicht, was du vielleicht denkst. Maike ist keine Lesbe. Sie mag Greta sehr«, antwortete Menno.
Sie fanden zurück zu den Klassenkameraden.
Lothar Schipper hatte es zum angesehenen Professor am Max-Planck-Institut gebracht, Pit Noosten gehörte zum Präsidium der SPD. Elke Sandner war zur Staatssekretärin avanciert.
»Immer noch der Schießsport und Schützenverein Berum?«, fragte Menno.
»Dem ist so, und du?«, fragte Claas.
»Naturschutzvorträge an der Volkshochschule. Beiträge im Westfalenblatt über Tierhaltung«, antwortete Menno und schaute auf seine breite Armbanduhr.
»Meine liebe Schwester holt mich ab. Sie fährt dich gerne nach Berum. Oder holt Greta dich ab? Zwischen euch gibt es Probleme, wie ich erfuhr«, äußerte Menno locker.
Er erhob sich, griff zum Jägeranorak, setzte einen grünen Hut auf sein schütteres Haar und nahm seinen Koffer von der Ablage.
Claas blickte den Freund irritiert an.
»Das bitte ein wenig genauer«, sagte er und lächelte.
»Greta hat Bewunderer. Du bist selten zu Hause. Nichts für ungut. Das geht mich nichts an«, antwortete Menno.
Claas van Thun schlüpfte in den teuren Wettermantel, setzte seine steife Prinz-Heinrich-Mütze auf den Kopf und nahm seine Reisetasche von der Ablage.
»Danke, ich nehme ein Taxi. Alles Gute«, sagte er.
Der Zug hielt an. Sie stiegen aus. Claas van Thun reichte Menno die Hand und verabschiedete sich vom Schulfreund.
»Grüß Greta!«, rief Menno hinter Claas her.
»Das werde ich«, sagte er und ging zum Taxistand.
»Nach Berum. Zum Schützenhaus«, sagte er kalt zum Taxifahrer, reichte ihm die Reisetasche, nahm aufdem Beifahrersitz Platz und blickte wie abwesend durch die Frontscheibe in die kalte Winterlandschaft.
Am Freitagabend erreichten die Ausläufer eines Hochdrucksystems die ostfriesische Küste. Bei Winden um Stärke 5 bis 6 aus südwestlicher Richtung stieg das Thermometer auf plus 4 Grad an. Der Schnee schmolz dahin. Die alten, giebeligen Stadthäuser rund um den Marktplatz zierten noch die Lichterketten des verflossenen Weihnachtsfestes. St. Ludgeri lag im hellen Licht der am Fuße der Warf installierten Scheinwerfer. Auf dem Markt reihten die Taxis sich seitlich des Kiosks zu einer langen Warteschlange. Das einsetzende Tauwetter verdarb ihnen das erwartete Geschäft. Im historischen Klinkerbau mit der dreistufigen Betontreppe und der offen stehenden grünen Holztür residierte die Schutzpolizei.
In der Wachstube mit dem Rezeptionstresen versahen die Beamten Eilert Frerichs und Jan Odens den gemeinsamen Spätdienst. Die Streifenwagen waren wegen des Glatteises pausenlos im Einsatz. Der letzte Unfall hatte sich kurz nach 19 Uhr in Nadörst auf der ungeschützten, nur von Weiden und Äckern umgebenen Kreuzung der Bundesstraße ereignet.
Der Wetterumschwung bedeutete für die Beamten Entwarnung. Der Landkreis Aurich setzte den Streudienst aus, da auch für die Nacht kein Frost angesagt war.
Die Kommissare Frerich und Odens stellten sich auf einen ruhigen Abend ein und widmeten sich ihrer Verwaltungsarbeit.
Um 20.54 Uhr läutete das Telefon. Das flackernde rote Lämpchen kündigte einen Notruf an.
Eilert Frerichs bediente die Knöpfe
der Telefonanlage. »Polizei!«, sprach er kurz angebunden in das Mikrofon.
»Kommen Sie – van Thun. Am Müllerstück 18 – schrecklich –
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