13 kleine Friesenmorde
hieven.
»Bevor Sie ihn zwecks gerichtsmedizinischer Untersuchungen nach Oldenburg bringen, findet er bei uns im Leichenkeller seinen Platz«, sagte der Arzt. »Ich stelle den Totenschein aus, fertige einen Bericht an und stehe Ihnen weiterhin zur Verfügung.«
Kommissar Feen nickte.
Frank Wiefel, Mitarbeiter der Inselzeitung, hatte einen vollen Film verknipst. Er verließ als Erster die Düne.
Auf dem Fahrradweg hielten abfahrbereit Marga und Heinrich Roitzheim ihre Räder mit bleichen Gesichtern. Da waren sie in etwas hineingeraten, was sie schmerzlich berührte. Sie schauten weg, als die Feuerwehrleute mit dem Sarg den grünen Dünengürtel verließen, ihren Weg kreuzten und ihn über den Blockweg zum Unimogtrugen. Sie fuhren erschrocken zusammen, als Kommissar Feen zu ihnen trat und sich vorstellte.
»Das übertrifft selbst das Fassungsvermögen hart gesottener Großstadtkollegen«, sagte er.
»Dem stimme ich zu, ohne weitere Details erfahren zu haben«, gab der gestandene Pädagoge angewidert von sich. »Ich habe 35 Jahre vor Schulklassen gestanden. Es ist schockierend. Die Verrohung der Jugend nimmt bedrohliche Formen an. Amerikanische Horrorfilme! Die Saat der Gewalt.«
»Frau Roitzheim, Herr Roitzheim, wir wollen hier nicht polemisieren«, sagte Feen. »Ich bedanke mich für Ihre Ausdauer. Der Zufall hat es so gewollt.«
»Bitte, mein Mann verträgt nach dem Frühstück keine eisgekühlten Getränke. Er musste mal. Er fand den Toten. Machen Sie es kurz – wir wollen weg von hier«, sagte Marga Roitzheim mit verweinter Stimme.
»Dem steht nichts im Wege. Sie haben Ihre Adresse hinterlassen. Wegen des Protokolls benötige ich Ihre Inselanschrift«, sagte der Kommissar.
»Pension Huberta, Geusenweg«, antwortete Marga Roitzheim ungeduldig.
»Danke, versuchen Sie zu vergessen, nutzen Sie das schöne Wetter«, sagte der Kommissar, reichte ihnen die Hand und ging davon.
Die Roitzheims stiegen auf ihre Räder und radelten davon.
Um diese Zeit legte die »Ostfriesland« im Inselhafen mit dem Kurs auf Emden ab. Rückreisende Urlauber belebten das Sonnendeck. Im Salon und in der Cafeteria gab es keine freien Plätze mehr. Im Mitteldeck stapeltensich die Koffer und Reisetaschen der Passagiere und ließen nur eine schmale Gasse frei für Besucher, die sich vom Salon mit Getränken oder kleinen Speisen in der Cafeteria versorgen wollten oder das Unterdeck aufzusuchen beabsichtigten, um eine Tasse Kaffee zu trinken und eine Zigarette oder Zigarre zu rauchen, was besonders die älteren Herrschaften während der zweieinhalbstündigen Überfahrt schätzten.
Das Deckpersonal hatte alle Hände voll zu tun. Der Maat Erwin Carls beobachtete bei seinem obligatorischen Rundgang einen alten Mann, der, wie es den Vorschriften entsprach, seinen Boxer im Zwischendeck an der kurzen Leine hielt und sich bemühte, den sabbernden Hund von einem Gepäckstück fernzuhalten. Der Alte schimpfte mit »Gordon«, der anschlug. Er schaute den Maat entschuldigend an, verließ mit dem Hund den Gang und zerrte ihn davon.
Der Maat scheuchte eine Gruppe Schüler in das Unterdeck, die mit Bierdosen in den Händen Zigaretten rauchten und den Gang verstopften, und setzte seinen Kontrollgang fort.
Eine halbe Stunde später beobachtete er einen Schäferhund, der mit gespitzten Ohren an der Leine zerrte, die sein junges Frauchen krampfhaft in den Händen hielt, während der Hund bellte und mit den Läufen scharrte. Irgendwo auf dem Gang bellte ein Dackel.
»Entschuldigung«, sagte die üppige Blondine, tätschelte den Hund und verließ mit ihm den Gang.
Erwin Carls nahm die Reisetasche vom Boden. Er war hoch gewachsen. Es gelang ihm, sie ins obere Ablageregal zwischen Koffer zu bugsieren. Er schaffte Platz, schob das Gepäck zusammen.
Rentner belagerten die in der Nähe stehenden Bänkeund sahen ihm zu. Ein junger Mann, er trug Jeans und einen Anorak, dessen gelb und blaue große Streifen das Markenzeichen »H&M« trugen. Er lehnte an der Wand und rauchte. Sein Haar trug er im Stoppelschnitt. Er wandte sich ab, als der Maat an ihm vorbeiging, und drückte die Kippe in einem leeren Kaffeebecher aus.
Kurz bevor die »Ostfriesland« in Emden anlegte, betrat Maat Erwin Carls erneut den Gang. Er sorgte für Ordnung und Ruhe, während sich die Passagiere hier einfanden, nach ihren Gepäckstücken griffen und sich dabei gegenseitig im Wege standen. Mit seiner kräftigen Statur und seiner sonoren Stimme verschaffte er sich Respekt, wenn es
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