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13 kleine Friesenmorde

13 kleine Friesenmorde

Titel: 13 kleine Friesenmorde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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»Tore, wovon lebst du eigentlich? Hast du eventuell eine . . . « Sie schluchzte und wollte das Wort »Frau« nicht über ihre Lippen bringen.
    »Du Dummerchen«, beruhigte Tore Ole Lemm seine Freundin und küsste ihr eine Träne aus dem schönen Gesicht. »Iris, du kannst sicher sein. Ich bin ein hoch bezahlter Fischereiingenieur und ein freier Mensch!«
    Die Studentin blickte mit verweinten Augen in sein Gesicht. Ihr Mund war zum Kuss geöffnet. Ihre Hände verkrampften sich im weichen Leder seiner Jacke.
    »Tore, ich brauche Klarheit! Ich und sonst niemand!«, schluchzte sie. »Ich komme nur wieder, wenn du mir bewiesen hast, dass deine Geschäfte sauber sind.«
    Tore Ole Lemm presste seinen Mund auf ihre geöffneten Lippen.
    Seine Gedanken kreisten um das rätselhafte Verschwinden ihrer Koffer. Seine Hände griffen in ihr langes Haar. Im beruhigenden Ton sprach er: »Iris, ab hier bist du sicher. Wenn etwas Ernsthaftes hinter all dem steckt, dann heften sie sich an meine Spuren.« Er drehte sich um. Sein Blick huschte über das betriebsame Tankstellengeschäft. »Ich kann dich nicht zum Schiff bringen! Bis Stavanger ist es nicht mehr weit«, sagte er und schritt an seinen Porsche, holte den schockfarbenen Wanderrucksack heraus und reichte ihn Iris Melchior.Dann schwang er sich hinter das Steuer und suchte im Spurt die Fahrbahn.
    Die Studentin schaute dem Porsche nach, der die hügelige Straße mit Höchstgeschwindigkeit nahm.
     
    Der Fernfahrer Jörn Taden legte den unteren Gang ein. Der Motor brauste auf. Sie hatten die Kai-Anlagen in Stavanger erreicht. Er fuhr den Lastzug auf die ausgeschilderte Spur und ließ den Wagen bis auf Tuchfühlung an den vor ihm geparkten Scania rollen. Hinter ihm schob sich bereits der nächste Brummer auf die Abfertigungsspur.
    Zwischen Scania und Volvo mussten sie auf das Bordpersonal warten.
    Warfner, der neben der jungen Studentin saß, sagte: »Fräulein, damit endet der landsmännische Dienst. Mehr können wir für Sie nicht tun.« Er reichte ihr den schweren Rucksack.
    Iris Melchior verließ mit einem dankbaren Lächeln die Fahrerkanzel. Ihre gut geformten Beine suchten den Abstieg. Sie trug Jeans und für die norwegischen Frühlingsverhältnisse die angepasste Lederjacke mit angewachsenem Fell.
    »Danke«, sagte sie, gab Warfner die Hand und winkte Taden zu, der entspannt hinter dem Steuer hockte.
    »Nichts für ungut, vielleicht sehen wir uns an Bord!«, rief Jörn Taden hinter ihr her.
    Die Männer beobachteten, wie Iris Melchior quer über den Platz zu dem kleinen Holzhäuschen ging, über dem bereits angeleuchtet die Wildgans mit vorgestrecktem Hals kundtat, dass hier die Reederei ihr Abfertigungsbüro unterhielt.
    Taden schaute Iris Melchior nach. Das lange schwarze Haar hing über ihre Lederjacke. Die Schultern des Mädchens wirkten breit und ihr Hintern, in straffen Jeans, nicht abstoßend dick. Ihr Gang war lässig.
    Sie hatten Iris Melchior kurz hinter Bergen an der Tankstelle mitgenommen. Mit charmantem Lächeln und zwinkernden Blicken aus dunklen Kulleraugen hatte sie um eine Mitfahrt nach Stavanger gebettelt. Am orangeroten Tuchrucksack hatte ein kleiner Bundeswimpel gehangen.
    »Ich bin Studentin und auf der Heimreise«, hatte sie zu Warfner gesagt, der sich selbst um eine Tochter in diesem Alter sorgte.
    »Kommen Sie«, hatte er nur erwidert.
     
    Iris Melchior ließ mit gemischten Gefühlen ihren Urlaub, der sonderbarerweise ein solch abenteuerliches Ende gefunden hatte, Revue passieren. Das Verhältnis zu ihrem verehrten Tore Ole Lemm lag unter belastenden Schatten, die das Gefühl ihrer ersten großen Liebe trübten.
    Sie dachte an die verschwundenen Koffer und spürte, wie die Schulterbänder des orangefarbenen Rucksacks durch die Lederjacke drückten. Entschlossen schritt sie an der Rezeption vorbei, suchte das hoch liegende A-Deck auf und stellte sich an die Reling. An der Backbordseite sah sie kurz zu, wie sich die lange Autoschlange der geöffneten Bugklappe näherte.
    Sie wechselte die Seite und schaute steuerbords auf den Atlantik, der weit draußen im Schwarz-Grau der dunklen Wolken zerfloss. Sie griff in die Brusttasche der Lederjacke und entnahm ihr ein Foto. Sie war den Tränennahe, als ihr Blick auf den jungen, muskulösen Tore Ole fiel, der in Badehose fast die gesamte Bildfläche einnahm.
    Jammerschade!, dachte sie und zerriss das Bild. Sie überließ die kleinen Bilderfetzen dem Wind und sah zu, wie sie schließlich auf einer kleinen Welle

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