13 - Wo kein Zeuge ist
verfluchten Hände. Hier. Gefällt dir, wie sich das anfühlt?
Er hatte den Kopf gegen die Sessellehne gedrückt und die Augen geschlossen. Die Made nagte gefräßig an seinem Gehirn, und er hatte versucht, es nicht zu spüren und nicht gelten zu lassen. Er versuchte zu bleiben, wo er war, zu tun, was er allein zu tun im Stande gewesen war.
Hörst du mich? Kennst du mich? Wie viele Menschen gedenkst du ins Grab zu bringen, bevor du zufrieden bist?
So viele nötig sind, hatte er schließlich gedacht. Bis ich übersättigt bin.
Dann hatte er die Augen wieder geöffnet und das Phantombild auf dem Fernsehschirm gesehen. Sein Gesicht, und doch überhaupt nicht sein Gesicht. Irgendjemandes Erinnerung, die versucht hatte, ein Bild zusammenzusetzen. Er hatte diese Darstellung seiner selbst betrachtet und vor sich hin gelacht. Er hatte sein Hemd geöffnet und sich vor dem Hass, der ihm aus jedem Winkel des Landes entgegenschlagen würde, entblößt.
Komm nur, hatte er gesagt, friss dich durch mein Gewebe.
Du glaubst, das werden sie tun? Für dich? Du hast doch nur Scheiße im Kopf, Junge. Ich hab noch nie einen Fall wie dich gesehen. Das hatte niemand, dachte Fu. Und niemand würde je wieder einen Fall wie ihn sehen. Leadenhall Market verhieß das.
Er stand gegenüber einer Flucht von drei Ladenlokalen, gleich hinter dem Eingang zur Markthalle an der Grace Church Street: Zwei Metzgereien und ein Fischhändler, alles in Rot, Gold und Cremefarben, wie eine DickensWeihnacht. Über jedem der Geschäfte hingen drei Reihen langer Eisenstangen, aus denen eine Unzahl von Haken ragten. Vor hundert Jahren hatte man geschlachtete Wildvögel daran aufgehängt, Truthähne und Fasane, um die Passanten zum Kauf zu verleiten. Jetzt waren sie nur ein antikes Überbleibsel längst vergangener Zeiten. Aber sie waren wie geschaffen für seine Zwecke.
Hier würde er sie beide herbringen. Den Beweis und den Zeugen gleichzeitig. Es würde eine Art Kreuzigung werden, beschloss er, die Arme an den Eisenhalterungen weit ausgestreckt, den restlichen Leib zwischen die Hakenreihen gequetscht. Es sollte die öffentlichste seiner Zurschaustellungen werden. Und die waghalsigste.
Er schritt das Areal ab, während er seine Pläne vervollständigte. Es gab vier Zugänge zum Leadenhall Market, und jeder stellte eine andere Herausforderung dar. Doch sie hatten alle eine Gemeinsamkeit, die sie mit beinah jeder Straße der Innenstadt teilten.
Überall gab es Überwachungskameras. Die am Leadenhall Place schützten Lloyds of London. Die an der Whittingdon Avenue überwachten eine Waterstone's-Filiale und die Royal & Sun Alliance gegenüber. An der Grace Church Street waren sie auf eine Barclays Bank gerichtet. Die beste Möglichkeit schien der Eingang an der Lime Street Passage zu sein, aber selbst dort hing eine kleinere Kamera über einem Gemüseladen, an der er vorbeimusste, um die Markthalle selbst zu erreichen. Es war beinah so, als habe er die Bank of England als Schauplatz seiner nächsten »Ausstellung« gewählt. Aber die Herausforderung war ja das halbe Vergnügen. Die andere Hälfte kam mit der Ausführung selbst.
Er würde den Eingang an der Lime Street Passage nehmen, beschloss er. Die kleine, unscheinbare Kamera dort war am einfachsten zu erreichen und auszuschalten.
Nachdem diese Entscheidung gefallen war, war er im Reinen mit sich. Er machte kehrt, ging zurück in die Markthalle, Richtung Leadenhall Place und Lloyds of London. Und dann hörte er eine Stimme rufen: »Sie da, Sir! Entschuldigen Sie bitte, Sir. Wenn Sie einen Augenblick ...«
Er hielt inne. Er wandte sich um. Er sah einen birnenförmigen Mann auf sich zukommen, auf dessen Schultern offiziell wirkende Epauletten prangten. Fu ließ sein Gesicht diesen vollkommen teilnahmslosen Ausdruck annehmen, der die Menschen in seiner Gegenwart unbefangen zu machen schien. Dann setzte er ein fragendes Lächeln auf.
»Tut mir Leid«, sagte der Mann, als er zu ihm stieß. Er war außer Atem, und das war kaum überraschend. Er war übergewichtig, Hemd und Hose passten ihm nicht richtig. Er trug die Uniform eines Wachdienstes, und sein Namensschild wies ihn als »B. Stinger« aus. Fu fragte sich, wie oft er mit dem Namen wohl aufgezogen wurde. Oder ob es wirklich sein echter Name war.
»Es sind eben schlimme Zeiten«, erklärte B. Stinger. »Tut mir Leid.«
»Stimmt etwas nicht?« Fu sah sich um, als suchte er nach Anzeichen dafür. »Ist etwas passiert?«
»Es ist nur ...« B. Stinger
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