13 - Wo kein Zeuge ist
offen. Griffin ist, wie er ist.«
Sie überquerten eine Straße und schlenderten weiter in nördlicher Richtung, vorbei an der alten Brauerei, bis sie die Gegend erreichten, die von Ledergeschäften und Billigläden dominiert wurde. Ulrike stellte die Frage, wegen der sie gekommen war, wenngleich ihr inzwischen klar war, wie unzuverlässig Arabellas Antwort sein würde.
»Die Nacht des Achten?«, wiederholte Arabella versonnen, sodass es Ulrike zumindest im Bereich des Möglichen zu sein schien, dass sie die Wahrheit hören würde. »Nun, da war er bei mir zu Hause, Ulrike.« Dann fügte sie bedächtig hinzu: »Oder er war bei Emma. Oder bei Ihnen. Oder in der Textildruckerei, bis Tagesanbruch oder noch länger. Ich werde die Version beschwören, die Griff vorzieht. Er, Sie und jeder andere können sich felsenfest darauf verlassen.« Sie blieb an der Tür eines Lokals mit riesigen Fenstern stehen. Drinnen drängten sich etliche Leute vor einer Glastheke, hinter der eine große Tafel mit dem Angebot an Bagels angebracht war. »Die Wahrheit ist, ich habe keine Ahnung, wo er war, aber das werde ich der Polizei niemals sagen. Da können Sie sicher sein.« Sie wandte den Blick von Ulrikes Gesicht ab, schaute ins Innere des Ladens und schien jetzt erst zu registrieren, wo sie sich befand. »Ah, da ist der Bäcker ja schon. Möchten Sie ein Bagel, Ulrike? Ich geb eines aus.«
Fu fand einen Abstellplatz für den Wagen, der ihm ausgesprochen logisch erschien: die Tiefgarage unter Marks & Spencer. Natürlich gab es dort eine Überwachungskamera - was sonst konnte man in diesem Teil der Stadt erwarten -, dennoch konnte er eine vernünftige Erklärung für seine Anwesenheit geben, sollte er hier je gefilmt werden: Bei Marks & Sparks gab es Toiletten; bei Marks & Sparks gab es eine Lebensmittelabteilung. Beide konnten als Ausrede herhalten.
Um auf Nummer sicher zu gehen, begab er sich nach oben in das Kaufhaus und ließ sich an beiden Orten blicken. Er kaufte einen Schokoriegel in der Lebensmittelabteilung und stellte sich breitbeinig vor ein Urinal in der Herrentoilette. Das, dachte er, sollte reichen.
Er wusch sich gründlich die Hände - zu dieser Jahreszeit konnte man nicht vorsichtig genug sein, mit all den grippalen Infekten, die die Menschen mit sich herumtrugen. Anschließend verließ er das Kaufhaus und machte sich auf den Weg zum Platz. Ein halbes Dutzend Straßen liefen dort zusammen, und diejenige, die er entlangschritt, war die belebteste. Er schlängelte sich durch ein Gewimmel aus Taxen und Privatfahrzeugen, die sich alle von Südwesten nach Nordosten quälten. Als er den Platz selbst erreichte, überquerte er ihn an einer Fußgängerampel, atmete die Abgase eines Busses der Linie 11 ein.
Nach Leadenhall Market war er wütend gewesen, aber jetzt hatte seine Gemütslage sich geändert. Die Inspiration war über ihn gekommen, und er hatte sie mit beiden Händen ergriffen, hatte seine Pläne ohne irgendjemandes Fürbitte geändert. Folglich war ihm der höhnische Madenchor erspart geblieben. Es war einfach die Erkenntnis über ihn gekommen, dass sich ihm ein neuer Weg eröffnete, den jeder Zeitungskiosk an jeder Straßenecke, die er passierte, ihm verkündete.
Auf dem Platz ging er zum Brunnen. Dieser war nicht im Zentrum, wie der Architekt es vorgesehen hatte, sondern näher an der Südecke. Tatsächlich kam er zuerst dorthin, und er betrachtete die Frau, den Krug und das Wasserrinnsal, das sie in das makellose Becken hinabschüttete. Wenngleich Bäume unweit des Brunnens den Platz umstanden, sah er doch, dass kein Laub im Wasser verfaulte. Irgendwer hatte es längst herausgefischt, sodass das Plätschern aus dem Krug gleichmäßig klang, ohne ein Geräusch, das von Verfall gekündet hätte. Denn Tod, Verfall und Verwesung wären in diesem Teil der Stadt unvorstellbar. Das war es, was seine Wahl so perfekt machte.
Er trat vom Brunnen zurück und ließ den Blick über den Platz schweifen. Diese Umgebung hier würde eine enorme Herausforderung darstellen: Jenseits der breiten Baumallee, die zu einem Kriegsdenkmal am anderen Ende führte, wartete eine Reihe Taxen auf Kundschaft, und eine U-Bahn-Station spuckte Fahrgäste auf den Gehweg. Sie strebten in die Banken, Geschäfte und Pubs, setzten sich an die Fenster in der nahen Brasserie oder stellten sich vor der Kasse eines Theaters an.
Das hier war kein Leadenhall Market, der am Morgen, Mittag und am Ende des Arbeitstages belebt war, in den Zeiten dazwischen
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