13 - Wo kein Zeuge ist
trauen sie mir auch nicht. Darum halten sie sich von meinen Eltern fern, solange ich da bin. So will ich es haben, und ich werde tun, was nötig ist, damit es so bleibt.«
Yasmin legte den Kopf schräg. Ihr Gesicht hatte immer noch diesen misstrauischen, verächtlichen Ausdruck, den sie immer gezeigt hatte, seit er sie kannte. »Und warum erzählen Sie mir das?«
»Weil ich will, dass Sie die Wahrheit wissen. Und die Sache ist, Yas, die Wahrheit ist nie eine Straße ohne Kurven und Umwege. Also sollen Sie wissen: Ja, ich hab mich zu Ihnen hingezogen gefühlt, seit ich Sie zum ersten Mal gesehen hab, und ja, ich wollte, dass Sie sich von Katja Wolf trennen, nicht weil ich dachte, dass Sie einen Mann brauchen und keine Frau, denn das konnte ich ja gar nicht wissen, oder? Aber ich wollte eine Chance bei Ihnen, und der einzige Weg, die zu kriegen, war, Ihnen zu zeigen, dass Katja Wolf all das, was Sie zu geben haben, nicht wert war. Aber gleichzeitig hatte ich Daniel vom ersten Moment an gern, Yas. Und ich konnte sehen, dass es ihm genauso ging. Und ich weiß so verdammt genau - wusste es damals und weiß es auch jetzt -, wie das Leben für Jungen auf der Straße sein kann, wenn sie mit ihrer Zeit nichts anzufangen wissen. Besonders für Jungen wie Daniel, für die kein Vater im Haus ist. Und das hat nichts damit zu tun, dass ich denke, Sie wären keine gute Mutter, denn ich hab gesehen, dass Sie das sind. Aber ich hab gedacht, Dan braucht mehr, und das glaube ich immer noch. Und darum bin ich gekommen, um Ihnen das zu sagen.«
»Dass Daniel mehr braucht als ...«
»Nein, alles, Yas. Von Anfang bis Ende.«
Er stand immer noch ein gutes Stück von ihr entfernt, aber er bildete sich ein, er könne die Bewegung der Muskeln in ihrem dunklen, glatten Hals sehen, als sie schluckte. Und er glaubte, er könne ihren Puls in der Ader an der Schläfe pochen sehen. Aber er wusste, dass er das zu sehen versuchte, was er sich erhoffte. Mach dir nichts vor, sagte er sich. Nimm es so, wie es ist.
»Und was wollen Sie jetzt?«, fragte Yasmin ihn schließlich. Sie ging zum Kosmetikstuhl zurück, holte die beiden Perücken und klemmte sich eine unter jeden Arm.
Nkata zuckte die Schultern. »Gar nichts«, erwiderte er.
»Und das ist die Wahrheit?«
»Dich«, sagte er. »Na schön. Dich. Aber ich weiß nicht mal, ob das wirklich die Wahrheit ist, und darum will ich es eigentlich nicht laut aussprechen. Im Bett? Ja. So will ich dich, in meinem Bett. Aber alles andere? Ich weiß nicht. Also, das ist die Wahrheit, und die war ich dir schuldig. Du hattest sie von Anfang an verdient, aber du hast sie nie bekommen. Nicht von deinem Mann, und auch nicht von Katja. Ich weiß nicht, ob du sie von deinem neuen Freund bekommst, aber auf jeden Fall von mir. Also, dich hab ich zuerst und vor allem gesehen, und dann Daniel. Und es war nie so einfach, wie du denkst: dass ich Dan benutzt habe, um an dich ranzukommen, Yasmin. Nichts ist je so einfach.«
Es war alles gesagt. Er fühlte sich vollkommen ausgehöhlt, so als hätte er sein Innerstes vor ihr auf den Linoleumboden gegossen. Sie konnte auf ihm herumtrampeln oder ihn einfach zusammenkehren und in die Gosse werfen oder was auch immer ... Er war so nackt und hilflos wie am Tag seiner Geburt.
Sie sahen einander unverwandt an. Er spürte das Verlangen wie nie zuvor, und es fühlte sich an wie ein Tier, das sich nagend von innen nach außen fraß.
Sie brach das Schweigen. Nur zwei Wörter, und zuerst wusste er nicht, was sie meinte. »Welcher Freund?«
»Was?« Seine Lippen waren wie ausgetrocknet.
»Welcher neue Freund? Du sagtest was von meinem neuen Freund.«
»Dieser Typ. Als ich zuletzt hier war.«
Sie runzelte die Stirn. Dann schaute sie zum Fenster, als sehe sie auf dem Glas eine Reflexion der Vergangenheit. Schließlich richtete sie den Blick wieder auf ihn. Sie sagte: »Lloyd Burnett.«
»Du hast seinen Namen nicht erwähnt. Er ist reingekommen ...«
»Um die Perücke für seine Frau abzuholen«, sagte Yasmin.
»Oh ...« Er kam sich vollkommen idiotisch vor.
In diesem Moment klingelte sein Handy, und das rettete ihn davor, etwas erwidern zu müssen. Er klappte es auf, sagte »Moment« und nutzte diese göttliche Intervention für einen geordneten Rückzug. Er nahm eine Visitenkarte und trat damit zu Yasmin. Sie ging nicht mit dem Perückenständer auf ihn los, um sich zu wehren. Sie trug einen Pulli ohne Taschen, darum steckte er die Karte in die Hüfttasche ihrer Jeans. Er
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